| Comment | Anknüpfend an Birgilas Beitrag #92 habe ich nun doch entschieden, mich zu diesem Thema nochmal zu Wort zu melden:
Ich denke,
1. es sollte nicht schwierig sein, (als "Sender") im täglichen Sprachgebrauch auf "Empfänger" Rücksicht zu nehmen, die sich durch eine bestimmte Bezeichnung beleidigt (oder respektlos behandelt) fühlen.
2. es sollte nicht schwierig sein, (als "Empfänger") im täglichen Sprachgebrauch zu akzeptieren, wenn ein "Sender" klarstellt, eine bestimmte Bezeichnung nicht böse (respektlos) gemeint zu haben und diese Bezeichnung ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr in Gegenwart des "Empfängers" verwendet.
3. Wenn eine große Zahl von "Empfängern" eine Bezeichnung als beleidigend, abwertend oder respektlos empfindet, ist es sicherlich angebracht, diese Bezeichnung grundsätzlich zu vermeiden.
4. Demgegenüber kann es jedoch nicht angehen, auf Grund der Empfindung einiger, zum Teil durchaus sympathischer, respektabler "Empfänger" die Bedeutung eines Wortes "per Beschluss" zu ändern. (Ganz abgesehen vom für so eine Maßnahme viel zu geringen Einfluss des LEO-Forums auf den realen allgemeinen Sprachgebrauch).
Ich habe seit dem Ende der "alten Fäden" zu diesem Thema etliche (etwa 30 bis 40) meiner amerikanischen Freunde befragt, wie sie die Bezeichnungen "Ami" und "US-Amerikaner" empfinden. Ich habe keine Strichliste geführt, kann aber grob zusammenfassen: - etliche (etwa jeder Dritte) fanden das Wort "US-Amerikaner" seltsam (aber nicht beleidigend oder abwertend) - alle Übrigen fanden "US-Amerikaner" eine Bezeichnung gleichwertig zu "Amerikaner" - einige wenige (drei oder vier) empfanden "Ami" eine nette, freundliche, fast liebevolle Abkürzung für "Amerikaner". - ungefähr jeder Dritte empfand "Ami" als "neutral mit einem Touch von freundschaftlicher Frotzelei" - Alle Übrigen empfanden "Ami" als eine umgangssprachliche Abkürzung ("colloquial abbreviation") für "Amerikaner", ohne jede "Färbung". - Nicht ein Einziger fand das Wort "Ami" respektlos, unfreundlich oder beleidigend.
Mag sein - es ist sogar sicher so - dass die Auswahl der Befragten statistisch nicht ausgewogen war. Mag sein, dass die Tatsache, dass es sich durchwegs um Freunde von mir handelte, die gelegentlich auch von mir als "Ami" bezeichnet werden, ihre Wahrnehmung des Wortes "Ami" ein wenig beeinflusst. Mag sein, dass ich bei der Auswahl meiner Freunde unbewusst nach "verbaler Toleranz" selektiere (was ich eigentlich bezweifle).
Ohne Zweifel ist daher meine Befragung nicht "repräsentativ". Aber ebenfalls ohne Zweifel deutet sie stark darauf hin, dass es keine Mehrheit ist, die die Ausdrücke "US-Amerikaner" oder "Ami" als abwertend, respektlos oder beleidigend empfindet.
Es ist meine Überzeugung, dass - auch dann, wenn wir hier im LEO-Forum nun beschlössen, die Wörter "US-Amerikaner" und "Ami" zu ächten - nur dann eine Chance bestünde, dass der allgemeine Sprachgebrauch dem auch folgte, wenn sich auch allgemein das Bewusstsein durchsetzte, dass diese Wörter tatsächlich verbreitet "negativ besetzt" sind. Dies halte ich aber nicht nur angesichts des Ergebnisses meiner "Befragung" für wenig wahrscheinlich.
Persönlich ist mir das Wort "US-Amerikaner" egal. Um das Wort "Ami", das ich - außer in diesem Forum - noch nie anders als neutral bis freundschaftlich-scherzhaft, gelegentlich auch leicht (aber freundlich!) frotzelnd erlebt habe, täte es mir offen gestanden ein wenig leid.
Und auch wenn ich der Meinung bin, dass Rücksichtnahme auf begründete emotionale Reaktionen richtig und wichtig ist, habe ich doch auch ein grundsätzliches Problem damit, wenn mir Nicht-Muttersprachler die Bedeutung von Wörtern meiner eigenen Muttersprache vorzuschreiben versuchen (wie im "alten" Faden geschehen).
Versuch einer Zusammenfassung:
1. "Rücksicht" habe ich de faco persönlich schon immer genommen, indem ich das Wort "Ami" grundsätzlich immer nur im Freundes- und engeren Bekanntenkreis verwendet habe. (Gegenüber Fremden, im Berufsleben oder gegenüber flüchtigen Bekannten empfände ich es zwar nicht respektlos oder beleidigend, aber schlicht unpassend).
2. Rücksicht zu üben finde ich auch grundsätzlich gut und richtig. Welche Bedeutung ein Wort hat, ist jedoch m.E. das Resultat eines komplizierten Prozesses, der von vielen Faktoren beeinflusst wird und der durch die Diskussion in einem Forum kaum nennenswert beeinflussbar ist.
3. Da dies so ist, halte ich es für zielführender, die tatsächliche, in der Bevölkerung verbreitete Bedeutung eines Wortes zu ermitteln und diese als "gegeben" zu betrachten, als auf Basis der "gefühlten" Bedeutung von "Empfängern" (siehe oben) den Sprachgebrauch von rund 100 Millionen deutschsprachigen Muttersprachlern beeinflussen zu wollen.
4. Anders wäre die Situation, wenn zweifelsfrei feststünde, dass die überwiegende Mehrzahl der "Empfänger" ein bestimmtes Wort als beleidigend oder respektlos empfindet. Dann bestünde die Chance, dass diese Tatsache auch in der breiten Bevölkerung als Tatsache wahrgenommen würde.
5. Wie die genaue verbreitete Bedeutung der Wörter "Ami" und "US-Amerikaner" in der deutschen Alltagssprache nun tatsächlich ist und wie hoch der Anteil der Amerikaner ist, die "Ami" oder "US-Amerikaner" als beleidigend/respektlos empfinden, halte ich klarerweise weder durch meine unprofessionelle "Mini-Stichprobe" noch durch die Diskussionen in diesem und den beiden anderen Fäden zu diesem Thema auch nur annähernd für geklärt. Einen einfachen Weg, diese Fragen objektiv und statistisch "belastbar" zu klären, kenne ich allerdings auch nicht.
Mit diesem Beitrag verabschiede ich mich aus diesem Faden auch wieder. Mein Bedarf an Diskussion zu diesem Thema ist noch von der Diskussion in den alten Fäden mehr als gedeckt... ;-)
Anmerkung zum Schluss: als Österreicher wurde ich schon oft "Ösi" oder "Öschi" genannt. Ich habe diese Bezeichnung noch nie als respektlos oder beleidigend empfunden, sondern stets als spaßig-freundlich, allenfalls auch mal als freundschaftlich-frotzelnd. |
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