| Comment | Als er allen gute Nacht gesagt hatte, schleppt sich Glamdil in sein ihm zugewiesenes Zimmer und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Langsam und zaghaft legt er die überflüssigen Schutzkleider ab, die verbrannte Haut darunter möglichst nicht berührend. Ins Bett kann er sich allerdings nicht legen, ohne die Haut zu strapazieren, ein schmerzerfülltes Seufzen entfährt ihm. So eine lange Zeit des Kampfes, der Unsicherheit lag nun hinter ihnen. Endlich konnten sie sich entspannen. Ruhe, endlich. Eine Weile keine Kämpfe, keine Hexen, keine mysteriösen bösen Mächte, welche uns ans Leder wollen. Der Zwerg entspannte sich, summte noch eine Weile mit geschlossenen Augen eine Melodie und fiel dann langsam in einen tiefen Schlaf.
Als er erwachte, befindet sich Glamdil in einem steinernen Raum, erfüllt vom entfernten Prasseln vieler Feuer. Ungeschmückte, schlichte Wände umhüllen drei Viertel des Raumes, die Vierte Seite der Halle ist aber ganz anders beschaffen. Es ist ein riesiges, eisernes Tor, halb offen und ein sanftes, rotes Licht fällt durch das Tor hinein. Eine einzige Rune schmückt das Tor, aber diese würde jeder Zwerg sofort erkennen. Die ewigen Hallen.
„Aber wie ist das möglich?“, der Zwerg keucht entsetzt auf, voller Panik. „Meine Verletzungen waren doch nicht gefährlich, ich kann doch nicht…“ „Keine Sorge, Kleiner“, antwortet eine sehr tiefe, brummige Stimme. Der sanfte Ton konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stimme gewohnt war, Befehle zu brüllen und dass diese Befehle auch befolgt werden. Glamdil senkte seinen Blick von den gigantischen Toren und blickte hinunter, auf den simplen Thron des Wächters der ewigen Hallen, Begrüsser der Toten und mächtigster Zwerg aller Zeiten.
Der gesamte Körper des Zwerges wurde von einer rot-schwarzen Kampfrüstung geschützt, welche der Legende nach sogar Drachenfeuer widerstehen konnte. Ein goldener, mit Edelsteinen aller Art geschmückter Waffengurt hängt um die Hüfte des Zwerges. Die Waffe, welche in diesem Gurt steckt ist so bekannt und legendär wie der Zwerg selber. Die Klinge war pechschwarz. Gemäss den alten Geschichten, ist in dieser Klinge jedes Element der Erde eingeschlossen, der Träger kann alles verändern was er sieht. Glamdils Blick wanderte nach oben, zum Gesicht des Zwergen. Die schwarzen Haare sind zu einem ordentlichen Zopf nach hinten gekämmt, die Seiten des Kopfes geschoren. Der Bart war ordentlich geflochten und ist so lang, dass er ihn hinter dem Waffengurt eingeklemmt hat. Das Gesicht wird von zwei Sachen geprägt. Eine lange Narbe, erhalten von einem Schwert, führt vom Kinn bis zum Ohr. Doch das prägendste aller Merkmale waren seine Augen. Man sagt, diese Augen seien ein Geschenk des göttlichen Schmieds, damit der Zwerg das Herz all jener betrachten könne, welche vor ihn trete. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die ursprüngliche Farbe der Pupillen verändert und ihre silberne Farbe angenommen. Diese Gesichtszüge, diese Statur, die legendäre Waffe. Jeder Zwerg würde ihn erkennen.
„Durin“, murmelt Glamdil, von Ehrfurcht ergriffen sinkt er auf sein Knie, um dem Stammvater seines Volks die Ehre zu erweisen. „Erheb dich mein Junge“, freundlich lächelnd erhebt sich der Zwerg und tritt auf Glamdil zu. „Ich habe deine Taten in letzter Zeit verfolgt und muss sagen, ich bin sehr beeindruckt von euerer Leistung. Eure ganze Gruppe ist es wert, mit den Helden alter Zeit in einem Atemzug genannt zu werden. Aber noch ist die Reise nicht zu Ende.“ „König Durin“, wagt Glamdil das Wort an den Herrscher aller Zwerge, des Diesseits und des Jenseits, zu richten. „Ich bin wirklich nicht tot?“
„Nein“, lachte Durin freundlich, „du bist wirklich nicht tot. Aber du bist auserwählt worden, als mein Bote zu agieren. Du kennst die Legenden von Durins Boten?“ „Ja, natürlich. Jedes Kind kennt sie.“ Durins Boten waren ausgewählte Zwerge, welche zu Zeiten grosser Not zu ihrem Volk gesandt wurden, um es zu warnen, es zu unterstützen, es zu retten. „Bist du bereit, dass ich dir die Gefahr zeige, welcher du entgegentreten wirst?“ Glamdil nickte, noch immer geschockt von der Eröffnung, welche ihm der Zwerg gerade gemacht hatte.
Langsam beginnt sein Blickfeld zu verschwimmen. Als sein Blick wieder aufklärt, ist er inmitten einer Schlacht, umringt von Zwergen welche um ihr Leben kämpfen. Er kann seinen Körper nicht steuern, das übernimmt jemand anders, er ist lediglich ein Zuschauer. Was ihn wirklich schockt sind die Gegner. Nicht nur die normalen Zwergenhasser, wie Orks, Goblins und Trolle. Nein, auch andere Zwerge haben sich mit ihnen verbündet, sowie andere Monster aller Art, welche sich sonst nie in einem Heer einfinden würden. Innert weniger Minuten fegten sie die Verteidigungsstände weg und zerfetzten alle Zwerge, welche ihnen in die Quere kamen. Danach stürmte das Heer den Berg, die Stadt und hielt ein wahres Blutbad. Kein Kind, keine Frau, nicht mal Säuglinge wurden verschont.
Langsam findet sich Glamdil wieder in der Vorhalle der ewigen Hallen. Tränen rinnen seine Wangen hinunter, geschockt von den Bildern war er mehrere Minuten nicht imstande zu sprechen. Langsam gewann er wieder die Oberhand über seine Emotionen. Mit einer ruhigen, gefassten Stimme fragt er: „Wie kann ich das verhindern?“ Durin nickt ihm zu. „Schön, dass diese Bilder nicht deinen Mut haben sinken lassen, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Gut, zum Plan“, auf einen Wink des Zwergen erscheint ein Tisch mit einer Karte inmitten des Raums, die beiden Zwerge finden sich davor ein. „Hier“, Durin deutet auf die Karte, „das sind alle Zwergenreiche die es noch gibt. Um diese Gefahr abzuwenden, muss jeder einzelne Zwerg aus allen vier bekannten, aber auch aus dem unbekannten Reich zusammenhalten und Seite an Seite kämpfen. Nur so habt ihr eine Chance zu gewinnen.“
„Ja, das kann ich tun. Mit meinen Gefährten an meiner Seite kann ich allem entgegentreten, was das Schicksal uns entgegenwirft.“ Durins schüttelte traurig den Kopf. „Diese Aufgabe kannst du nicht mit einer Gruppe erledigen. Du wirst auf Pfaden wandeln, die kein Nichtzwerg bewältigen kann, egal wie stark er auch sein möge. Außerdem sind Durins Boten immer allein unterwegs. Du allein kannst diese Aufgabe ausführen und nur du. Es tut mir Leid.“ Glamdil schluckte und musste den Sinn der Aussage des Zwerges erstmal begreifen. „Das heisst, ich muss mich von ihnen trennen? Einfach so? Aber…“ „Es ist so, Junge“, sanft klopft ihm der ältere Zwerg auf den Rücken. „Und ich kann dir nicht mal versprechen, dass du sie wiedersehen wirst. Ich kann deine Zukunft nicht erkennen, wie die aller Auserwählten.“
Glamdil nickt nur. Eine Weile ist er still, meint dann nur leise. „Sie werden dass nie verstehen, wenn ich ihnen das erkläre. Sie werden mich wohl begleiten wollen, egal was ist. Außerdem bin ich selber nicht so gut ihm Abschied nehmen.“ „Da könnte ich dir vielleicht helfen“, lächelte Durin. „Ich kann ihnen eine Nachricht von dir überbringen, dann wenn du schon längst weg bist und sie dich nicht mehr einholen können.“ „Das würdest du tun? Ich danke dir. Wirst du es Beroin sagen?“ „Nein, er ist noch zu jung, seine Zeit mich zu treffen kommt noch. Dem Jungen steht noch ein großes Schicksal bevor. Aber die Schwertträgerin, die Halbelfe, mit ihr kann ich Kontakt aufnehmen. Deine Zeit hier ist fast vorbei. Was soll ich ihnen sagen?“ Mehrmals fängt der Zwerg beinahe an, nur um sich noch mal zu unterbrechen. Dann lächelt er plötzlich. „Sagt ihnen nur dies: Es gibt ein Sprichwort das sagt, dass man sich im Leben immer zweimal trifft. Ich glaube daran und freue mich auf unser nächstes Wiedersehen.“ Durin nickt, langsam beginnt der Raum zu verschwimmen. „Noch eine Frage, werden mich die anderen Zwerge überhaupt als dein Bote erkennen?“ „Ja, das werden sie, keine Sorge. Viel Glück, Kleiner. Der Schmied möge über dich wachen.“
Glamdil öffnet die Augen, er befindet sich wieder im Gemach des Schlosses. Langsam erhebt er sich, legt die abgelegten Kleider wieder an, schnallt sich die Axt um und nimmt den Rucksack wieder auf und wendet sich zur Tür. Ein Blick in den Spiegel lässt ihn zurückzucken. Ja, die anderen Zwerge werden mich sicher erkennen. Silberne Augen starrten aus dem Spiegel zurück. Mit einem Ruck wandte sich der Zwerg zum gehen. Alle Bewohner der Burg noch am schlafen. Niemand bemerkte den Weggang des Zwerges, so dass er unbemerkt den Berg verlassen konnte und sich auf den Weg ins erste Zwergenreich machen konnte.
Noch ein Blick wirft er über die Schulter zurück. „Machts gut, Freunde. Passt auf euch auf. Viel Glück Tutu… kleine Prinzessin.“ Dann verschwindet die kleine Gestalt langsam im Wald.
by Glamdil |
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