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  • Betrifft

    welcher, welche, welches

    Kommentar
    Schüler und Jüngere (Geistes)Wissenschaftler ersetzen nach meinem Eindruck immer häufiger die Relativpronomen der, die, das durch welcher, welche, welches. Obwohl es nicht falsch ist, empfinde ich es als unangemessenen Versuch, die Sprachebene zu heben. Da ich häufig Arbeiten korrigiere, hätte ich gern objektive Argumente gegen diese Verwendung oder möchte mich von Euch eines besseren belehren lassen. Warum also nicht einfach "das Haus, das", sondern "das Haus, welches"?
    Bei der letzteren Formulierung erwarte ich immer eine Fortführung wie "welches sich im kühlen Grunde an den Hang schmiegte" oder ähnlichen Kitsch. Aber vielleicht liegt es ja auch nur an meinem Sprachgefühl.
    Verfasser Paperweight (298297) 25 Sep. 11, 08:35
    Kommentar
    Mir geht es wie Dir: Warum nicht einfach "das Haus, das"?

    Duden 9 meint: Das Relativpronomen welcher, welche, welches wirkt im Vergleich zu der, die, das häufig schwerfällig und wird deshalb meist nur dann verwendet, wenn der, die, das vermieden werden soll.

    Ich vermute, dass welch- als hochsprachlicher empfunden wird, weil der, die, das in der Umgangssprache das Übliche ist. Die Blähform ist seltener und klingt 'exquisiter'.



    Das ist oft so, dass die seltenere Form als 'besser' und 'etwas Besonderes' empfunden wird.

    anderes Beispiel (Duden 9): Karre/Karren
    Die maskuline Form der Karren wird in Süddeutschland, die feminine Form die Karre in Norddeutschland für ein einfaches, kleines, ein- bis vierrädriges Fahrzeug und abwertend für ein altes, schlechtes Fahrzeug (bes. Auto) gebraucht. In Norddeutschland wird die Verwendung von der Karren gewöhnlich als gehobene Ausdrucksweise angesehen und gilt deshalb nicht als abwertend.

    #1Verfasser manni3 (305129) 25 Sep. 11, 08:56
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    Ja, manni3, das glaube ich auch, als Argument gegen beratungsresistente Schreiber reicht das aber meist nicht. Grammatikalische Gründe gegen die Verwendung gibt es aber leider nicht, seufz!
    #2Verfasser Paperweight (298297) 25 Sep. 11, 10:10
    Kommentar
    Nö, aber Wörter wie Blähform, aufgeblasen, wichtigtuerisch verfehlen vielleicht nicht ihre Wirkung ;-)
    #3Verfasser manni3 (305129) 25 Sep. 11, 10:35
    Kommentar
    Doch - und das Problem ist alt.

    Wustmann schreibt bereits im 19. Jh. (Allerhand Sprachdummheiten. Leipzig 1896: 107ff.):

    Ein Hauptübel unsrer ganzen Relativsatzbildung liegt zunächst nicht im Satzbau, sondern in der Verwendung des langweiligen Relativpronomens welcher, welche, welches. Das Relativpronomen welcher gehört, wie so vieles andre, ausschließlich der Papiersprache an, und da sein Umfang, seine Schwere in gar keinem Verhältnis zu seiner Aufgabe und Leistung steht, so trägt es besonders zu deren breiten, schleppenden Ausdrucksweise unserer Schriftsprache bei. In der älteren Sprache war welcher (swelher) durchaus nicht allgemeines Relativpronomen, sondern nur indefinites Relativ, es bedeutete: wer nur irgend (quisquis), jeder, der , noch bei Luther: welchen der Herr lieb hat, den züchtiget er. Erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert ist es allmählich zum gemeinen Relativum herabgesunken. Aber nur in der Schreibsprache, die sich so gern breit und wichtig ausdrückt, zuerst in Übersetzungen aus dem Lateinischen; der lebendigen Sprache ist es immer fremd geblieben und ist es bis auf den heutigen Tag fremd. Niemand spricht welcher, es wird nur geschrieben! (...); jedermann sagt der, die, das. Es ist undenkbar, daß jemand bei Tische sagt: die Sorte, welche wir vorhin getrunken haben, oder: wir gehen wieder in die Sommerfrische, in welcher wir voriges Jahr gewesen sind*).

    *) Nur in Süddeutschland und Österreich wird welcher auch gesprochen, aber immer nur von Leuten, die sich 'gebildet' ausdrücken möchten. In deren falschem, halbgebildeten Hochdeutsch - da grassirt es.
    #4Verfasser Selima (107) 25 Sep. 11, 10:41
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    Als grammatischer Aspekt fällt mir noch ein, dass "welch-" als Relativpronomen keine Genitivform hat. Der Genitiv ist ja ein typisches Stilmittel des gehobenen Sprachregisters und sein Fehlen weist klar in Richtung Umgangssprache.
    In den folgenden Beispielen kann dessen/deren nicht mit irgendeiner Form von welch- ersetzt werden:

    der Vater - das Paar, dessen Kind ...
    die Mutter - die Eltern, deren Kind ...



    OT: Den Wustmann gibt's nicht online, oder? Jedenfalls hab ich nichts gefunden. Schade! Der gefällt mir!!

    #5Verfasser manni3 (305129) 25 Sep. 11, 11:08
    Kommentar
    Selima, vielen Dank! Das ist ein toller Text, welcher ;-) die Autoren überzeugen sollte. Der Hinweis auf die gesprochene Sprache hätte mir ja auch mal einfallen können....
    #6Verfasser Paperweight (298297) 25 Sep. 11, 11:22
    Kommentar
    Ich finde das auch fürchterlich und vermeide es wie die Pest.
    Wo "welcher" etc. allerdings - aus welchem Grund auch immer - bevorzugt verwendet wird, ist in der Patentsprache.
    #7Verfasser penguin (236245) 25 Sep. 11, 11:34
    Kommentar
    Pengu, es klingt halt gewichtiger und bei Patenttexten darf das ja auch sein ;-)

    Den Wustmann kann ich Euch wirklich nur empfehlen. Selten habe ich mich bei Rechtschreib- und Grammatiklektüre so amüsiert. Wustmann schießt immer mal wieder übers Ziel hinaus, aber das ist dann umso unterhaltsamer. Nicht wenig habe ich dabei zudem gelernt.

    Manni, über wikisource kann man Online-Ausgaben finden:
    http://de.wikisource.org/wiki/Gustav_Wustmann

    Allerdings gibt's die Sprachdummheiten auch massenhaft antiquarisch. Dann kann man sie im Sessel sitzend lesen oder auf der Parkbank oder auf dem Balkon ;-)
    #8Verfasser Selima (107) 25 Sep. 11, 11:52
     
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