Cro, sagst du auch Appendix, Diarrhoe, Ulcer, Pneumonie und Zystitis? Das sind alles Wörter, die ich im Englischen im Alltag benutze, auf Deutsch aber nie.
Nein, normalerweise nicht. Liegt das aber nicht einfach daran, dass das Englische schon seit vielen Jahrhunderten auch in der Alltagssprache viel stärker Begriffe lateinischen oder altgriechischen Ursprungs benutzt, während das Deutsch gern germanischen Wortschatz weiterverwendet und bei Bedarf daraus mit Wortbildungsmitteln neue Begriffe formt (coccys/Steißbein, spinal column/Wirbelsäule, frontal sinus/Stirnhöhle, metatarsus/Vorfußknochen, peroneus longus/Wadenbeinmuskel, uvula/Zäpfchen usw.)?
Was Begriffe wie Pupille, Epilepsie usw. betrifft, wäre meine These, dass in der breiten Bevölkerung ursprünglich einheimische Wörter verwendet wurden und später allmählich aus der Fachsprache manche Fachtermini eingewandert sind. Der Ngram Viewer zeigt beispielsweise bei Schwindsucht vs. Tuberkulose, dass bis etwa 1847 Schwindsucht in Büchern häufiger verwendet wurde - und das, obwohl Bücher die Alltagssprache normaler Menschen nur sehr bedingt abbilden und medizinische Begriffe in der Regel von Medizinern häufiger verwendet werden als von Laien.
https://books.google.com/ngrams/graph?content...
Das könnte bedeuten, dass Wörter wie Tuberkulose, Epilepsie usw. durchaus Fachbegriffe sind, von Fachleuten aus antiken Sprachen übernommen oder nach den üblichen Konventionen aus ihnen gebildet. Aus irgendwelchen Gründen haben sie sich - im Gegensatz zum Großteil der medizinischen Termini - in der Allgemeinsprache breitgemacht und die alteingesessenen Begriffe verdrängt. Das bedeutet m. E. aber nicht, dass sie deshalb nicht mehr Teil der Fachsprache wären. Liefe ein Arzt, der auf einem medizinischen Kongress von Prostata oder Pupille spricht, Gefahr, dass man ihm unwissenschaftlichen, laienhaften Sprachgebrauch vorwürfe? Wohl kaum. Wenn er aber von Vorsteherdrüse oder Bauchwassersucht (statt Aszites) spräche, dann wohl schon.
Deine Ansicht, dass es wünschenswert wäre, Begriffe wie Scrum Master zu übersetzen, teile ich aber durchaus. Ich verstehe zwar, dass dies die internationale Kommunikation etwas schwieriger machen würde. Dieser Preis wäre mir aus sprachästhetischen Gründen aber nicht zu hoch. Hinzu kommt, dass eine Übernahme der fremdsprachigen Wortgestalt nicht zwangsläufig bedeutet, dass auch die Bedeutung exakt übernommen wird. In einigen Beiträgen dieses Fadens wurde ja auf bestehende Missverständnisse hingewiesen; die befördern auch nicht gerade die internationale Kommunikation.