Kommentar | Ich versuch's mal mit ein paar Beispielen:
"Der König ist tot" - bedeutet nicht, dass er nie gelebt hat, noch dass Könige von Natur leblos sind oder dass dies zu vermuten wäre.
"Das Auto ist kaputt" - unterstellt nicht, dass das Auto nie funktioniert hat. Auch nicht, dass Autos generell und stets kaputt sind oder dies der allgemeinen Erwartungshaltung entspräche.
"Das Kind spricht nicht" - sagt keineswegs aus, dass es nie gesprochen hat. Noch viel weniger, dass Kinder nie sprächen oder dass man dies grundsätzlich von Kindern nicht erwarten würde.
"Der Retter kümmerte sich nicht um seine eigene Sicherheit" drückt aus, dass der Retter sein Leben riskierte, obwohl dies eben nicht zu erwarten war. Keinesfalls wird damit ausgedrückt, dass von Rettern stets und grundsätzlich angenommen würde, dass sie ihr Leben riskieren.
Natürlich wissen wir, dass Rosen (außer im Märchen oder in romantischen Gedichten und Liedern) weder über ihr Dasein reflektieren noch Fragen irgendwelcher Art stellen. Unter diesem Aspekt wäre es also wohl völlig unsinnig und überflüssig, festzustellen "... Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet".
Gerade dass Angelus Silesius dies aber trotzdem tut, erzeugt erst das Gedankenbild von der denkenden, fragenden, fühlenden "menschlichen" Rose (das dann natürlich durch die Aussage seiner Zeilen wieder verneint wird).
Klar, die Aussage des Gedichtes ist, dass die Rose die besagten Fähigkeiten nicht hat. (Genauso, wie die Schlagzeile "Auch Berlusconi spricht sich gegen die Folter aus" wörtlich betrachtet genau das aussagt ...)
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