Comment | Ich bin seit ca. einem Monat groesstenteils analphabetisch unterwegs, da ich chinesisch weder lesen noch schreiben kann. Ich sage groesstenteils, weil die wichtigsten Hinweis- und Strassenschilder schon auch auf Englisch bzw. Chinglish verfasst sind. Aber sobald man sich ein wenig abseits der Touristen- und Expatpfade bewegt, hat die Speisekarte dann auch schon keine Bilder mehr und man muss einfach entweder auf gut Glueck los bestellen und hoffen, dass es essbar ist - oder eben so schnell wie moeglich wenigstens die Sprache sprechen lernen, um die most basic Dinge erledigen zu koennen (essbares bestellen, fragen was und wo etwas ist, Preise verstehen koennen etc).
Was auch hilft - und ich mag es gar nicht wirklich zugeben - ist sowas wie google translate. Zumindest um den Gist von irgendwas zu verstehen. Wenn ich mal wieder von meinem Mobilfunkanbieter eine (kryptische) SMS bekomme, dann kopiere ich die einfach in den Uebersetzer und kann zumindest rausfinden, ob es nur eine Werbe-SMS ist, oder ob mein Credit fast aufgebraucht ist. Ich bekomme auch von meiner Bank SMS sobald sich irgendwas auf meinem Konto tut. Auch da ist es hilfreich zu verstehen, ob Geld eingegangen ist, oder (unbefugt) abgegangen ist. Fuer sowas reicht der Online-Uebersetzer oft. Umgekehrt geht's manchmal auch, wenn ich ein Wort ums verrecken nicht richtig aussprechen kann und wieder nur Schulterzucken ernte, dann rufe ich schonmal die entsprechenden Zeichen fuer z.B. "fried rice" auf, bevor ich hungern muss.
Sprechen und verstehen lernen, wenn man schon nicht lesen kann, gewinnt allerdings gerade fuer mich eine ganz neue Bedeutung. Was natuerlich dabei wiederum hilft ist der Kontext in dem man sich bewegt.
Trotzdem habe ich tagelang im Supermarkt geraetselt, was denn wohl nun die Shampooflasche und was die Conditionerflasche ist, und welche Sorte (an der Flaschenfarbe erkennbar) sich denn nun fuer meine Haare eignet. (Ich zweifle immernoch, dass das Shampoo, das wir zuerst auf gut Glueck gekauft haben wirklich Shampoo war, jedenfalls war das nix fuer meine Haare). Auch haben wir leider erst zu spaet rausgefunden, dass die Zahnpasta keinen Minz-Zahnpasta Geschmack hat, sondern irgendeinen ekligen kuenstlichen vermutlich Green Tea Geschmack hat. Aber immerhin haben wir Zahnpasta identifizieren koennen. Long story short: Man lernt auch durch Trial and Error.
Allerdings ist es schon ein komisches Gefuehl, wenn man offizielle Dinge unterschreiben muss, wie z.B. einen Arbeitsvertrag oder Formulare zur Kontoeroeffnung etc. Zwar ist der Arbeitsvertrag auch auf engl. vorhanden, aber ueberpruefen, ob das chinesische Exemplar wirklich dem entspricht kann ich natuerlich nicht. Dasselbe, als ich meine Dokumente ins chin. uebersetzen lassen musste. Pruefen, ob sie richtig waren und da nicht irgendwas steht, ging nicht. In so einer Situation, in der ich wirklich absolut 100% gar nichts verstehe, bin ich vorher noch nie gewesen und blind vertrauen ist nicht jedermanns Staerke ;)
Was aber Schriftzeichen angeht, so lernt man doch sehr schnell die wichtigsten "Survival"-Zeichen fuer etwa "(Fire) Exit" und die Zeichen der Haltestelle, die man taeglich benutzt, so dass man sie wiedererkennen und rechtzeitig aussteigen kann. Da hoert es aber bei mir auch schon auf. Ich tu mich schon schwer genug damit PinYin zu lesen und zu versuchen es halbwegs verstaendlich nachzusprechen.
Mein Fazit bis jetzt: Es geht ohne lesen zu koennen, aber es ist anstrengend und vieles ist komplizierter, als es eigentlich sein muesste. |
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