Bei den erwähnten Filmszenen dürfte es sich im Wesentlichen um überzeichnete oder karikierende Darstellungen handeln, die mit historischer Wirklichkeit nur selten etwas zu tun haben. Die Aussage solcher Szenen kreist eigentlich immer um eines der folgenden Motive bzw. um Kombinationen derselben:
a) Ehepartner haben sich auseinandergelebt
b) Die Kinder sind aus dem Haus
c) Man hat keine Freunde mehr
d) Man ist verarmt und kann sich keine großen Diners mehr leisten
Das Leitmotiv ist also immer das der sozialen Isolation. Zuweilen wird der Effekt noch gesteigert, wenn an der ewig langen Tafel nur eine Person (Witwe/r, Scheidungsopfer...) sitzt.
Dass nur zwei Menschen gemeinsam essen und dazu auch noch weit voneinander entfernt an einem großen Tisch Platz nehmen, stellt in der europäischen Kulturgeschichte eher eine Rarität dar. Zumindest ist es eine Novität, die kaum vor dem 19. Jahrhundert nachzuweisen sein dürfte. Ausnahmen gibt es natürlich, doch der Eremit interessiert uns hier ebenso wenig wie der Hagestolz mit seinem Diener. Grundsätzlich sind die Mahlzeiten seit Urzeiten gemeinsame Veranstaltungen, an denen alle Mitglieder des Haushalts teilnehmen. Das gilt für die bäuerlichen, klerikalen und die höfischen Mahlzeiten ab dem Mittelalter ebenso wie für die des sich seit der Renaissance herausbildenden Bürgertums. – Wenn
alle an der Mahlzeit teilnahmen, ob Herr/in, Höfling, Dienstbote oder Knecht, so heißt das nicht, dass alle stets gleichbehandelt worden wären. Im historischen Wandel lassen sich alle möglichen Formen der sozialen Abgrenzung beobachten, die sich meist in der Sitzordnung, oft aber auch in den Essensregeln und Tischsitten spiegeln. Solche Abstufungen finden sich bis heute im Sprachgebrauch wieder, z.B. in dem Begriff
Katzentisch oder in der engl. Redewendung
below the salt Was die in #8 angesprochene Absenz/Distanz angeht, so finden sich quer durch die Geschichte und Kulturen sowohl Vorschriften, die Frauen und Männer getrennt tafeln lassen, als auch solche, die ganz ausdrücklich der Frau einen Platz neben dem Mann zuweisen – nicht etwa, damit sie ihm Leckerbissen reiche, sondern damit sie ihn vor Völlerei bewahren und auch sonst (handfest) zur Ordnung rufen möge.