Kommentar | Nachtrag zu #34/#37:
Da ich kein Astronom bin, möchte ich mich zu Mondständen im "Hobbit" und deren Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit nicht mehr äußern, jedoch sehe ich mich veranlasst, auf zwei Dinge hinzuweisen, die m.M.n. bei der Erörterung jener Stellen aus Tolkiens Buch übersehen wurden.
1. Ein literarisches Werk wie z.B. eine Erzählung, ein Roman oder ein Epos, ist kein Dokumentarbericht und keine Tatsachenschilderung. Der Autor derartiger Texte hat keine juristische Pflicht zur alltäglichen Wahrheit oder zur Fakten-Korrektheit seiner Hervorbringung, aber er hat ein wichtiges Recht: das der dichterischen Freiheit, der poetica licentia. Er darf bei seinem Erzählen gegen vermeintliche Gesetze der Logik, der Technik oder der Natur verstoßen, wenn dies seinem Werk dient. Da Tolkien im Kapitel 14 des "Hobbits" Smaug abschießen lassen musste (aus der Logik der Handlung heraus, sonst hätte der Drache noch mehr Schaden angerichtet), musste sich der Mond fügen und ihm wie auch dem Schützen Bard zu Dienst sein. Das Bild von Bards Schuss ist eindrucksvoll und Smaug wird erlegt, obwohl der Mond sich an einer Stelle befindet, wo er nach Meinung mancher Leser gar nicht hätte sein dürfen.
Man stelle sich vor, die Werke Homers, Dantes, Shakespeares und Thomas Manns (um nur einige zu nennen) würden akribisch nach solchen "Fehlern" durchsucht - es würde dem Verständnis dieser Werke und dem literarischen Genuss, die sie dem Lesern vermitteln, keinen Deut hinzufügen. (Dass Tolkien trotz mehrer Ausgaben des Werks diesen "Fehler" belassen hat, zeigt, dass er es so wollte und nicht anders. Ihn deshalb mit Ausdrücken zu bedenken wie "(...) selbsterklärter Naturbursche und Zivilisationsverächter, [der] (...) in den einfachsten Fakten der Natur dermaßen ahnungslos war. Hätte fast ein Grüner sein können." und "Ignoranz", zeugt von arger literarischer Kleingeisterei, wenn nicht von Animositäten und Ressentiments.)
2. Es ist ein unliterarischer Irrtum, wenn man meint, Mittelerde solle mit unserer Erde identisch sein. Wie könnte das auch gehen, wo man doch diese Welt nirgends in der geologischen und kulturellen Geschichte der Erde unterbringen kann. Mittelerde ist in dem Sinn die Erde, wie Mona Lisa die Frau des Francesco del Giocondo oder Michelangelos David der spätere König von Juda ist.
Mittelerde ist eine nach dem Vorbild unserer Erde geschaffene "subcreation", sozusagen ein "Ebenbild und Gleichnis" unserer Erde, eine Nachschöpfung, die Tolkien als "subcreator", wie er sich in seinem literarischen Schaffen bezeichnete, hervorgebracht hat.
In den 1960er Jahren hatte ich (damals Student u.a. der Anglistik) eine Korrespondenz mit Tolkien, in der er mir einiges über sein Werk mitteilte. Nach seiner Intention bei der Schaffung von Mittelerde befragt, schrieb er mir am 12. März 1963: "As you say, my intention was to create another world full of beauty, melancholy and mystery - and I hope of excitement."
"to create another world" - eine andere Welt, eine, in der es z.B. Valar gibt. Vielleicht hat Varda, Queen of the Stars, den Mond an jenem Tag (mit Hilfe Aules, der "the vessels of the Sun and the Moon" geschaffen hatte?) so beeinflusst, dass er Bard bei der Tötung Smaugs half? |
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