#8: Nun, ich kenne weder Verdis noch Wagners Intentionen en detail. Von letzterem sind mir immerhin einige Texte zugänglich, die Auskunft geben können. Dazu gleich mehr.
Zunächst aber zu dem Begriff
Nazi-themed Wagner opera, wie er in der Jerusalem Post gebraucht wurde. Für mich steht da ausdrücklich nicht "Nazi-Oper", sondern ich lese da so viel wie "eine von Dritten mit Nazi-Assoziationen versehene Wagner-Oper". Sollte ich irren, lasse ich mich gern korrigieren.
Wie sehr Richard Wagner von dem in seiner Zeit salonfähigen Antisemitismus durchdrungen war, kann ich nicht sagen. Zu verharmlosen ist auch unter den Bedingungen von 1850 nichts daran, soviel sollte klar sein. Dennoch könnte es sein, dass die 1872 im Wiener Kikeriki erschienen
Karikatur mit der Unterschrift
Das Judenthum in der Musik, wie es Richard Wagner gefällt – wenn es nämlich 25 Gulden für einen Fauteuil bezahlt einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt der Wahrheit reflektiert.
Natürlich, es ist richtig, dass tatsächlich in keiner Wagner-Oper kruder Antisemitismus oder Judenhass zum Ausdruck gebracht werden. Thema der Opern ist jedoch sehr wohl und nahezu durchgängig ein herrliches Geschwurbel aus kunstvoll verrührten Heldensagen, Mythen und germanischer Götterwelt – guter Dung auf dem ohnehin fruchtbaren Boden, dem vor und nach Wagners Zeit Nationalismus und Rassismus entsprießen konnten. Will sagen, ja, es stimmt, dass Wagner-Opern nicht explizit antisemitisch sind. Doch ihre Motiv- und Themenwelt bietet und bildet reichlich Schnittmengen mit dem Gedankenkosmos, den man bei einem halbwegs gebildeten Antisemiten (und Opernkonsumenten) des 19. Jahrhunderts annehmen kann.
Schließlich noch, wie eingangs angekündigt, ein Zitat vom Meister selbst, das uns ahnen lässt: Wagner war weit davon entfernt, sein eigenes Opernschaffen (und das anderer) etwa als politisch neutral zu betrachten. Thesen à la "Er war zwar Antisemit, aber er hat doch sooo schöne Opern mit genialer Musik geschaffen!" sind unhaltbar.
O-Ton Wagner:
«Ich habe nicht im Sinne, hier die Darlegung des Wesens der Oper als im Einklange mit unsrer politischen Entwickelung stehend zu geben; der willkürlichen Wirkung der Phantasie ist hier ein zu beliebiger Spielraum geboten, als daß bei solchem Beginnen nicht die absurdesten Abenteuerlichkeiten ausgeheckt werden könnten – wie es denn auch in unerbaulichster Fülle in bezug auf diesen Gegenstand bereits geschehen ist. Es liegt mir vielmehr daran, das Unnatürliche und Widerspruchsvolle dieses Kunstgenres, sowie seine offenkundige Unfähigkeit, die in ihm vorgegebene Absicht wirklich zu erreichen, einzig aus seinem Wesen selbst zur Erklärung zu bringen. Die
nationale Richtung aber, die in der Behandlung der Melodie eingeschlagen wurde, hat in ihrer Bedeutung und Verirrung, endlich in ihrer immer klarer werdenden und ihren Irrtum kundgebenden Zersplitterung und Unfruchtbarkeit, zu viel Übereinstimmendes mit den Irrtümern unsrer politischen Entwickelung in den letzten vierzig Jahren, als daß die Beziehung hierauf übergangen werden könnte.
[...]
In der Musik äußerte sich die nationale Richtung bei ihrem Beginne um so mehr mit wirklicher Schönheit, als der Charakter der Musik sich überhaupt mehr in allgemeiner als in spezifischer Empfindung ausspricht. Was bei unsern dichtenden Romantikern sich als römisch-katholisch mystische Augenverdreherei und feudal-ritterliche Liebedienerei kundgab, äußerte sich in der Musik als heimisch innige, tief und weitatmige, in edler Anmut erblühende Tonweise – als Tonweise, wie sie dem wirklichen letzten Seelenhauche des verscheidenden naiven Volksgeistes abgelauscht war.»
(Richard Wagner: Oper und Drama, Leipzig 1852, darin: Die Oper und das Wesen der Musik, III. – Kursivierung im Original; zit. n.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/843/4 )
Ich weiß auch nicht, was die Darstellung von Erschießungen und Gaskammern im Tannhäuser zu suchen hat. Wenn Besucher dieser einen Düsseldorfer Vorstellung allerdings notarztbedürftig traumatisiert waren, so fällt mir dazu nur ein, dass Kulturkonsum verpflichtet. Man soll sich vorher informieren – dann kann man hinterher umso qualifizierter meckern. Und das erspart garantiert den Notarzt.