OT: Es gibt anscheinend noch Klärungsbedarf zum Punschkrapferl-Zitat, korrekt
„Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken.“, erlaubt mir einen kleinen Exkurs:
Das Punschkrapferl ist eine typisch österreichische Süßigkeit, die aus Kuchenabfällen hergestellt wird: die werden kleingeschnitten, ggf. mit Kakao gemischt und mit Rum getränkt. Dann wird die Masse in Form gedrückt, auf eine Biskuitunterlage gestellt und zum besseren Zusammenhalt mit einer rosa Zuckerglasur überzogen. (Hin und wieder mag ich das Zeug, picksüß, aber schon fein, wenn's gut gemacht ist. Kann aber auch ekelhaft sein, wenn alte Kuchenreste und billiger Rum dabei sind. :-))
Thomas Bernhard (1931-1989) war ein österreichischer Schriftsteller, der sich auf ganz eigene Weise am österreichischen Staat und der österreichischen Gesellschaft abgearbeitet hat. Mit sehr galligem Humor und extremer Übertreibung hat er vor allem in seinen Theaterstücken viele misanthropische, verbitterte Figuren auftreten lassen, die in großen, hyperbolischen Reden über Österreich und seine Fehler hergezogen sind.
Das ist faszinierend, komisch und schrecklich, man darf es nur nicht für bare Münze nehmen und glauben, Bernhard habe furchtbar unter der unaufgearbeiteten Nazivergangenheit des Landes gelitten und hielte wirklich alle Österreicher für Nazis.
Er war selbst eine sehr ambivalente Person.
Und so muss man sein Zitat auch verstehen: Es ist ein böser, sehr böser Aphorismus, der den Finger nur zu genau auf die versteckten, aber nicht verheilten Wunden Nachkriegsösterreichs legt.
Dazu muss man wissen, dass in Österreich nie so eine Erinnerungs- und Aufarbeitungskultur wie in Deutschland geherrscht hat, bis in die 1980er Jahre war die Legende von Österreich als "erstem Opfer Hitlers" weit verbreitet und die Schuld an den NS-Verbrechen wurde gern unter den Teppich gekehrt. Ehemalige Nazis hatten nach kurzer Degradierung wieder hohe Funktionen inne und niemand fragte allzu genau, wer wann was getan hatte.
Insofern war Österreich also innerlich braun - nicht sehr sorgfältig "entnazifiziert".
Im Zuge der Waldheim-Affäre (ab 1986), als nämlich dem Bundespräsidenten (!) die SS-Mitgliedschaft nachgewiesen wurde, kam es endlich zu einem Umdenken.
Bundeskanzler war zuvor lange Zeit der Sozialdemokrat Bruno Kreisky (1911-1990, Kanzler 1970-1983), Jude und Naziopfer, der sich aber mit den Altnazis in gewissem Grade arrangierte und damit ein neues, geeintes Österreich schuf. Um des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders willen schloss er Kompromisse.
Insofern war Österreich also äußerlich rot, nämlich unter SPÖ-Alleinregierung oder Regierungsbeteiligung.
Zur Waldheim-Affäre war Claus Peymann Burgtheater-Direktor und hat viele Bernhard-Stücke zur Uraufführung gebracht. Die Stücke waren ein derartiger Skandal, das kann man sich heute kaum mehr vorstellen! Beleidigung, Nestbeschmutzung, alles mögliche wurde da krakeelt, was sich im Übrigen wenig später auch Elfriede Jelinek anhören musste.
Und schließlich wird in Österreich tatsächlich viel getrunken (vergleichbar mit Deutschland), es gibt eine hohe Zahl von Alkoholikern und gefährdeten Personen. Natürlich findet auch hier ein Umdenken statt, aber es ist noch immer gang und gäbe, dass bei jeder erdenklichen Gelegenheit Alkohol getrunken wird und eine Ablehnung des Mittrinkens als Faux-pas gewertet wird.
Da wir aber seit kurzem wieder eine rechtskonservative Regierung aus ÖVP (früher schwarz, jetzt türkis) und FPÖ (blau) haben, passt das Punschkrapferl nicht mehr.
Außerdem sind die alten Nazis ausgestorben und eine oppositionelle Öffentlichkeit achtet sehr genau darauf, was "man doch wohl noch sagen darf" und was nicht in Ordnung ist.
Ich weiß nicht, ob diese Austriaca irgendwen interessieren, hoffe aber, dass sie an dieser unpassenden Stelle doch auf ein bisschen Aufmerksamkeit stoßen, z.B. bei patman2, der ja nachgefragt hat. :-)