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    Land und Leute

    Tischvergabe in französischen Restaurants

    Betrifft

    Tischvergabe in französischen Restaurants

    Kommentar

    Als wir unlängst mal wieder ein bißchen in Frankreich unterwegs waren, begab es sich mehrfach, daß meine andere Hälfte sich zielstrebig am jeweils „am besten“ erscheinenden Tisch niederließ, der aber nicht notwendigerweise auch für zwei Personen vorgesehen war. Dann kommt immer die mehr oder weniger höflich gestaltete Aufforderung, sich an einen Zweiertisch zu setzen. Leider empfindet besagte andere Hälfte das meist als „Herabsetzung“ und verläßt das Etablissement dann empört. Ich finde diese ca. 50 cm x 50 cm kleinen Tischchen zwar auch, je nachdem, was man sich so bringen läßt, nervtötend klein, aber den anderen Gästen geht es ja auch nicht besser.

     

    Zwei Fragen habe ich dazu:

     

    Geht man üblicherweise automatisch an einen passenden Tisch, weil es einfach normal ist und man gar nicht darüber nachdenkt?

     

    Kommt es auch mal vor, daß das Personal sich flexibler zeigt, wenn die Umstände es erlauben?

     

    Wohlgemerkt, ich will mich in keinster Weise beschweren, sondern nur die offenbar etwas anderen Gepflogenheiten erkunden.

    Verfasser C3PO (877869) 26 Jul. 19, 13:40
    Kommentar

    Wenn es sich nicht ganz offensichtlich um eine Gastronomie einfachster Art handelt, wartet man auch in Deutschland nach dem Betreten eines Lokals kurz ab, ob ein "Platzanweiser" kommt. Das empfinde ich als ziemlich internationale Benimmregel (obwohl ich gestehen muss, nicht alle Knigges weltweit zu kennen)


    Ich kenne aus Studenten-Kellner-Zeiten das Problem, dass sich Einzelpersonen grundsätzlich an den größten Tisch setzen. Wenn dann eine größere Familie oder Gruppe kommt, die diesen Tisch wirklich bräuchte, ist er von einem allein oder einem Paar besetzt und die Gruppe zieht wieder ab - für den Wirt ist das ein Umsatzverlust. Da er niemals wissen kann, ob nicht in 5 oder 10 Minuten eine größere Gruppe kommt, scheucht er die Einzelpersonen und Paare praktisch immer sofort vom großen Tisch weg, so lange kleinere frei sind. Das ist einfach kluges Geschäftsgebaren. Wenn er dabei höchst ruppig vorgeht, ist das nicht ganz so kluges Geschäftsgebaren ;-)


    Noch ein bisschen Geplauder aus dem Nähkästchen: 6 Leute setzen sich bevorzugt an einen der kleinen runden 3-er Tische und holen dafür einfach die Stühle vom nächsten 3-er Tisch weg. Anmerkungen der doofen Kellnerin, die erst seit 3 Jahren da arbeitet und keine Ahnung hat, von wegen auf den Tisch passen keine 6 Teller, werden ignoriert.

    Wenn das Essen serviert wird, stellen sie mit Entsetzen fest, dass tatsächlich 2 oder 3 Leute ihren Teller auf dem Schoß halten müssen und den großen Tisch inzwischen ein Reserviert-Schild ziert. Die Erleichterung (und meist auch das Trinkgeld) sind groß, wenn die doch nicht so doofe Kellnerin sagt, das Schild hätte sie aufgestellt, damit die Gruppe mit den Tellern dorthin umziehen kann.

    #1VerfasserEifelblume (341002) 26 Jul. 19, 14:35
    Kommentar

    Nein, Du verstehst mich miß :-). „Wenn die Umstände es erlauben“ bedeutet beispielsweise ein großes, mindestens halbleeres Restaurant kurz vor Küchenschließung, so daß die unbestritten sinnvollen und auch uns bekannten wirtschaftlichen Erwägungen keine echte Rolle mehr spielen dürften.

     

    Und nochmal nein, wir gehen zu zweit nicht an den größten verfügbaren Tisch. In einem Fall war es ein (ebenfalls winziges) rundes 3er Tischchen. In einem anderen eben diese in Frankreich so ungemein beliebten Miniquadrate, bei denen nur das Personal weiß, ob der halbe Zentimeter Abstand zwischen den Tischplatte gerade separate Tische kennzeichnet oder der 4er oder6er Tisch nur etwas verrutscht ist. Außerdem bieten die ja eigentlich gerade den Vorzug echter Flexibilität:-).

     

    Und meiner Erfahrung nach ist es gerade in Frankreich so, daß man richtig gut entweder in den ganz einfachen oder den ganz noblen Bewirtungsbetrieben speist, die „Mittelklasse“ ist häufig eher enttäuschend. Ich jedenfalls gehe durchaus freiwillig auch in die ohne „Platzanweiser“, wenn die Speisekarte mir zusagt.

     

    Mir ging es eher um dieses manchmal wie reine Prinzipienreiterei wirkende Verhalten.

    #2Verfasser C3PO (877869) 26 Jul. 19, 15:32
    Kommentar

    Oh ja, da hatte ich dich von vorne bis hinten missverstanden. In diesem Fall muss ich meine #1 reduzieren auf den Satz in Klammer im ersten Absatz. :-)


    Aber ich hoffe, dass hier noch einige Antworten kommen, das interessiert mich jetzt auch.


    Grundsätzlich kann man für die von dir beschriebene Situation, wie für nahezu alle Situationen im Umgang mit den Mitmenschen sagen: Sture Prinzipienreiter und Idioten aber auch ganz liebe Zeitgenossen gibt es überall.

    Außerdem gibt es unerfahrene Aushilfskellner, die klare Anweisungen haben und sich keine flexiblen Entscheidungen zutrauen.


    Höchstwahrscheinlich habe ich auch das missverstanden, aber ich riskiere einen Tritt ins Fettnäpfchen: Bei deiner Schilderung der Situation entsteht bei mir der Eindruck, dass die bessere Hälfte mit einer gewissen "ich Massa - ihr Bimbo"-Haltung den Tisch okkupiert, was wiederum beim Kellner einen gewissen "ich-nix-Bimbo"-Reflex auslöst.

    Was passiert, wenn er zum gewünschten Tisch geht und bevor er sich setzt mit einem kleinen Lächeln "Puis-je?" in Richtung des Personals fragt?

    #3VerfasserEifelblume (341002) 26 Jul. 19, 15:52
    Kommentar

    Nee – nix „Massa – Bimbo“. Wir halten uns beide für ganz normal höfliche und wohlerzogene Menschen :-). Das ist eine (zu schnelle?) Reaktion auf Tonfall, Mimik und Gestik, noch bevor ich übersetzt habe. Und seitdem wir das jetzt einige Male durchexerziert haben, denke ich sogar manchmal daran, vor Betreten der Örtlichkeit darauf hinzuweisen, daß die Beistelltischchen in Frankreich nun mal als ganz gewöhnlicher 2er Tisch gelten und keine Katzentische für die Laufkundschaft sind.

     

    Häufig führt das auch zu spontaner Interaktion mit den Gästen jenseits der symbolischen Lücke, indem man z.B. die arg begrenzte Nutzfläche von rechnerisch einem Achtel m² pro Person gemeinsam etwas geschickter ausnutzt.

     

    Ich frage mich eher, ob es einen ganz simpel zu erklärenden Hintergrund geben könnte, der zum Beispiel irgendetwas mit der Abrechnungslogistik zu tun hat. (Wir haben beide nie gekellnert und keine Ahnung von den Interna). Zu dem Thema könnte ich auch aus Deutschland und Italien je ein lustiges Erlebnis schildern...

    #4Verfasser C3PO (877869)  26 Jul. 19, 17:01
    Kommentar

    Die Frage ist: redest du von Paris oder von Frankreich?

    Von Paris darfst du dich nicht wundern, wenn du wie Vieh behandelt wirst.




    #5Verfasser Grossbouff (465598) 01 Aug. 19, 11:53
    Kommentar

    In Paris war ich schon ewig nicht mehr.

     

    Einen solchen Fall beobachteten wir z.B. in einem Örtchen mit vielleicht 5.000 Einwohnern. Zwei Motorradfahrer setzten sich an den einzigen freien Tisch mit mehr als 2 Plätzen, um ihre Helme ablegen zu können. (Helm auf dem Boden kann ich auch nicht leiden, entweder die Schale wird verschrammt oder das Polster verdreckt). Das war nun ein 6er Tisch (am Stück, nicht 3 Quadrate), der wenig später von einer 4er Gruppe besetzt wurde. Die allerdings nahmen nur je ein Getränk, und eine der 4 Personen war ein Kind, das sowieso in der Gegend herumsprang, anstatt sich zu setzen :-).


    Viel gewonnen hat der Wirt da also nicht…

    #6Verfasser C3PO (877869)  01 Aug. 19, 12:30
    Kommentar

    Was haben französische Nichthauptstädter eigentlich gegen Paris und seine Bewohner?


    Ich kenne sicherlich nicht genug Franzosen, um tragfähige Aussagen über sie zu machen. Aber bei den paar Dutzend, mit denen ich persönlichen Kontakt hatte oder habe, sind die Hauptstadtbewohner die freundlichsten und die einzigen, die mir nicht durch die Bank mit Arroganz begegnet sind.


    Auch bei meinen lange zurückliegenden Parisbesuchen wurde ich durchweg sehr freundlich behandelt.

    In Paris ist mir hin und wieder sogar passiert, dass jemand langsam und deutlich gesprochen hat. Normalerweise löst man mit "Pourriez-vous parler un peu moins vite?" doppelte Lautstärke und dreifache Redegeschwindigkeit aus.

    #7VerfasserEifelblume (341002) 19 Aug. 19, 14:32
    Kommentar

    Es ist vielleicht auch ein "Fremdeneffekt" : zwei auf den ersten Blick als solche erkennbare "Fremde" kommen "einfach" in das Restaurant, das die Einheimischen als das ihre betrachten, und setzen sich "einfach" an irgendeinen Tisch, offensichtlich ohne sich mit der Frage zu belasten, ob hier irgendein Tisch irgendwie reserviert ist oder ob man jemanden grüßen müsste o.ä.

    (Tschuldigung, aber der geschilderte Vorgang wirkt so, zumal man sich in Deutschland tatsächlich an irgendeinen Tisch setzen kann, ohne zu grüßen. Auch wenn es anders besser ist, wird man dann doch bedient...)


    Das mag den einheimischen Kellner (Frauen mitgemeint :-) provozieren, so dass er die Fremden zurechtweisen muss.


    Ich durfte auf einer Geschäftsreise mal in Nizza im Negresco übernachten. Die Tische im Frühstücksraum (der allerliebst eingerichtet war mit Karusselpferden und so und mit Blick auf Palmen und Mittelmeer) waren rund und nicht groß. Wir waren zu dritt, aber der Kellner hat alles untergebracht, er hat einfach dicht an dicht alles aneinander gestellt, und es passte.

    #8Verfasser ama-ryllis (1081929) 25 Aug. 19, 15:11
    Kommentar

    Hallo C3PO,

    es gibt nach meinen Erfahrungen in der Tat einen Kulturunterschied zwischen Deutschland und Frankreich in Bezug auf den Restaurantbesuch. Ich spreche hier vom einfachen bis mittleren, nicht vom gehobenen Restaurant. Während es in Deutschland durchaus üblich ist, sich den Tisch selbst zu wählen, ist das in Frankreich in der Regel nicht üblich. Um den Unterschied zu verstehen, ist es sinnvoll, 30 bis 40 Jahre zurückzuschauen: Selbst in einem einfachen Bistro

    fiel mir damals in Frankreich auf, dass niemand einfach an die Theke kam und rief: "Ein Bier bitte", wie das in Deutschland gang und gebe war, sondern dass der Gast wartete, bis er vom Kneipier angesprochen wurde. Die deutsche Art, einfach drauflos zu gehen (zum Tisch), bzw. drauflos zu bestellen (an der Theke), wurde als sehr unhöflich angesehen. Des Rätsels Lösung war das ganz andere Verständnis vom "Gast-Sein". Der Patron in Frankreich fühlt sich wie ein Gastgeber, der wie zu Hause, seine Gäste empfängt. Der Deutsche fühlt sich beim Betreten der Gastwirtschaft nicht, als beträte er das Haus eines anderen, sondern wie eine Kunde, der von Anfang an "König" ist.

    Hat man einmal diese grundsätzlich unterschiedliche Art und Weise in beiden Ländern , einen Gastraum zu betreten, verstanden, dann wird vieles klar. Heutezutage hat sich zwar durch Internationalisierung dieser Unterschied verwischt - vor allem Mc Donals und co. haben dazu beigetragen, aber man kann sich gewaltige Mißverständnisse ersparen, wenn man diesen Unterschied verstanden hat.

    Es gibt noch andere solche Unterschiede, die regelmäßig bei Deutschen und Franzosen zu - nicht selten - dramatischen Mißverständnisse führen. Da ist z. B. das Grundgefühl zu nennen, wie sich eine deutscher Polizist und ein französicher Polizist fühlt, und wie deshalb die Umgangsweisen mit der Polizei in beiden Ländern verschieden sind. Aber das hier zu schildern würde zu weit führen.

    #9Verfasser Gentilloup (285098) 15 Okt. 19, 18:03
    Kommentar

    Intéressant. Le client allemand se comporte-t-il de la même manière dans un restaurant anonyme de grande ville et dans une "table d'hôte" à la ferme ou "auberge rurale" (concernant le sentiment d'entrer chez quelqu'un versus entrer dans un magasin ouvert au public) ?

    #10VerfasserRetroLoc (813130) 16 Okt. 19, 10:04
    Kommentar

    Wenn ich in einem deutschen Restaurant einen freien Tisch ansteuere und mich dort hinsetze, hat dies nichts, aber absolut nichts mit Unhöflichkeit zu tun. So macht man das eben in Deutschland. Das ist weder eingebildet noch hochnäsig, es ist das absolut übliche Verhalten in Deutschland. Die französische Praxis, sich von einem Kellner oder Bediensteten einen Platz oder Tisch zuweisen zu lassen, empfinde ich ganz einfach als umständlich. Ich brauche in einem halbleeren Lokal niemanden, der mir von fünf freien Tischen einen zuweist. Ich habe auch keine Lust, wie ein dummer Junge am Eingang zu warten, bis ein Angestellter naht und mir gnädiglich einen Tisch zuweist. Nach deutschem Recht ist ein Restaurant-/Gaststättenbesitzer verpflichtet, mich zu bedienen, wenn ich sein Lokal betrete. Ich empfinde mich auch nicht als "König", nach dessen Pfeife alle zu tanzen haben. Blödsinn! Ich betrete ein Restaurant, eine Gaststätte und möchte dort etwas essen oder trinken. Ich sage auch an der Theke nicht lauthals "ein Bier!", sondern suche erst den Blickkontakt zu dem/der Angestellten und äußere dann meinen Wunsch. Ich möchte etwas, ich bekomme etwas, ich bezahle dafür, das ist ein Geschäft, nicht mehr, nicht weniger. Aus die Maus!

    #11Verfasser E.W.B. (883771)  16 Okt. 19, 10:41
    Kommentar

    Ich erinnere mich noch, wie es nicht in Westdeutschland, aber in der DDR war. Mein Onkel führte uns einmal in ein Restaurant, und es war so, wie hier geschildert:


    "Sie werden platziert!- an dieses Hinweisschild im Foyer oder Vorraum der DDR-Gaststätten erinnern sich die meisten DDR-Bürger. Es diente nicht, wie vielleicht zu vermuten wäre, einem besonders persönlichen oder freundlichen Service, sondern war vielmehr ein Ausdruck des chronischen Platzmangels in den gastronomischen Einrichtungen der DDR.

    Dieser Mangel lässt sich an einem Vergleich verdeutlichen: So gab es 1990 in Berlin insgesamt rund 6000 Gaststätten, einschließlich Eckkneipen und Cafés, davon 4600 im Westen und 1400 im Osten. Die Anweisung "Sie werden platziert!" ließ dann mitunter trotz freier Tische Stunden auf sich warten, denn diese Tische waren als "reserviert" markiert - Vorbestellungen waren üblich. Ein spontaner Restaurantbesuch konnte also durchaus frustrierend beginnen. Und da die Nachfrage groß war, konnte sich mancherorts das Personal eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Gästen leisten.


    https://www.mdr.de/zeitreise/speisegaststaett...

    #12Verfasser mars (236327) 16 Okt. 19, 11:00
    Kommentar

    Personnellement, je préfère m'asseoir à la place qu'on me désigne, plutôt que de devoir me lever et changer de place parcequ'un groupe ayant besoin d'une grande table vient d'arriver.


    Par ailleurs, en me signalant dès mon arrivée, je sais que le patron est conscient de ma présence, donc que je ne risque pas d'attendre longtemps qu'il la découvre.


    Autre chose: comme on ne sert pas n'importe quel plat à n'importe quelle heure, je n'ai pas envie de m'asseoir affamé et attendre d'abord, pour ensuite me faire dire qu'il est trop tard pour de la grande cuisine ! Je rentre parcequ'il est tard et que j'ai faim, donc j'ai besoin de savoir immédiatement s'il n'est pas déjà trop tard.

    #13VerfasserRetroLoc (813130)  16 Okt. 19, 12:20
    Kommentar

    so wie E.W.B. in #11 es darstellt, kann man es in Deutschland machen.


    Allerdings habe ich mir auch hierzulande angewöhnt, zumindest mit Blicken die Bedienung zu begrüßen,

    und ich checke kurz, ob es besser ist, nach einem freien Tisch zu fragen, oder selber einen zu suchen.

    Manche Bedienung in Deutschland reagiert leicht irritiert, wenn man sie nach einem freien Tisch fragt, vor allem, wenn viele Tische frei sind.

    Aber sie zu grüßen, finden die meisten gut.

    Wenn ich einen Tisch reserviert habe, spreche ich jemanden im Restaurant an, auch, damit sie wissen, dass wir nun da sind.


    #11 - sicher haben die Angestellten im Restaurant "die Pflicht", einen Gast zu bedienen.

    Und der Gast hat die "Pflicht", sein Essen zu bezahlen.

    Doch die Bedienung ist freundlicher, wenn man vorher mit ihr gesprochen hat.

    Jemandem, der sich "einfach so" an den Tisch setzt und "einfach so" bestellt, kann ich das Essen auch "einfach so" auf den Tisch stellen.



    #14Verfasser ama-ryllis (1081929) 16 Okt. 19, 13:28
    Kommentar

    Schön, daß doch noch ein paar Beiträge dazu kommen🙂. Ich glaube ganz ehrlich nicht, daß wir die teutonischen Trampel sind, die manche von Euch jetzt vor Augen haben. So rein optisch sind wir nicht weiter auffällige Mitteleuropäer, die nicht auf den ersten Blick einer Nationalität zuzuordnen sind.


    Die in #6 erwähnten Motorradfahrer z.B. waren definitiv Franzosen, ob nun Fremde oder Einheimische ist mir nicht bekannt. Es war ein echt schlichtes Etablissement, mit nicht zusammenpassenden Gartenmöbeln auf dem breiten Trottoir vor dem Laden. Ein „Platzanweiser“ war nicht vorhanden, das Personal schien (wir waren nicht drinnen) aus dem Wirt und Chef zu bestehen, draußen zumindest tauchte kein anderer Mitarbeiter auf. Es wäre dort eher absurd erschienen, irgendwo herumzustehen und auf Tischzuweisung zu warten, zur Blickkontaktaufnahme stand niemand zur Verfügung. Zu dem Zeitpunkt waren wir außerdem ja auch schon wieder hinreichend sozialisiert, um gleich brav am Winzquadrat Platz zu nehmen. Ich erwähnte dieses Ereignis gerade, weil es zwei Franzosen betraf.


    Ein anderer Fall: Wir begaben uns zu einem Restaurant, das uns im Hotel von Mitarbeitern und Gästen der Hotelbar empfohlen wurde. Es herrschte gerade ein gewaltiges Gewitter, und trotz typischer Abendessenzeit war nicht ein Gast anwesend und kein Personal in Sicht. Wieder kein Luxusladen, bei dem man beim Eintreten begrüßt und zu einem Tisch geführt wird. Wir ließen uns also direkt am Fenster nieder, an einem der Quadrate, keine reservierten Tische erkennbar. Da wollte man uns nun in die finsterste Ecke vorm WC verbannen. Hier hätte man doch wirklich das anschließende Quadrat ein Stückchen ans nächste in der Reihe rücken können und hätte keinerlei Einbußen befürchten müssen, weil größere Gruppen nicht mehr untergekommen wären. Das habe auch ich als unverschämt empfunden.


    Oder, eher lustig: Frühstücksraum im Hotel. (Städtchen mit ca. 20.000 Einwohnern). Ich war schon mal allein vorgegangen, weil meine andere Hälfte noch im Bad zugange war und nachkommen wollte. Den „gedeckten“ Tischen nach waren bis auf eine bereits anwesende Familie nur weitere Zweiergruppen zum Frühstück angemeldet und auch nur Gäste in Sicht. Ich saß also an einem Zweiertisch, als ein schlafmütziges Rauschgoldengelchen erschien und erst mal darauf hinwies, daß Einzelpersonen nicht an Zweiertischen sitzen sollten. Erst meine Versicherung, daß sie bitte zweimal Kaffee bringen möge, weil gleich noch jemand kommt, brachte die Dinge wieder ins Lot. Die „Gedecke“ bestanden aus jeweils einem Becher, in dem, in eine Papierserviette gewickelt, ein Messer und ein Löffel steckten. Es wäre also nicht mal Arbeit gewesen, einen Becher auf einen anderen Tisch zu befördern, da das Hotel an dem Tag keinesfalls ausgebucht war und genügend leere Tische herumstanden.

     

    Das sind jetzt gesammelte Erlebnisse aus mehreren Jahren, unterschiedlichen Gegenden und von verschiedenen Reisen. Nicht das noch jemand denkt, so etwas widerführe uns täglich 😉. Zudem respektieren wir selbstverständlich Schilder, die darum bitten, auf Plazierung zu warten oder auch nur ein Pult am Eingang, auf dem das Reservierungsbuch ausliegt. Aber wenn nichts dergleichen zu sehen ist? Auch für Andere reservierte Tische bleiben von uns unbehelligt.

     

    Meine Frage ist eigentlich: Warum muß ich an einem Zweiertisch sitzen, auch wenn es eindeutig sinnfrei ist? Ich dachte tatsächlich, daß es z.B. einen abrechnungs- oder vielleicht steuertechnischen Hintergrund geben könnte.

     

    Und schließlich: Ich glaube nicht mal, daß ein Wirt verpflichtet ist, mich zu bedienen, er hat schließlich Hausrecht.

    #15Verfasser C3PO (877869)  18 Okt. 19, 16:51
    Kommentar

    Doch, er ist verfplichtet, nach Aufgabe der Bestellung

    https://www.mdr.de/mdr-um-4/leichter-leben/al...

    #16Verfasser E.W.B. (883771)  18 Okt. 19, 18:33
    Kommentar

    Ah, das meinte ich nicht. Wenn er meine Bestellung gar nicht erst annimmt, weil er das nur täte, wenn ich auf einem anderen Stuhl säße, ist das eben so.

    #17Verfasser C3PO (877869) 18 Okt. 19, 19:59
    Kommentar

    Hallo C3PO,


    nun will ich doch noch einmal antworten, auch wenn das dann wieder missverstanden werden mag, wie von E.W.B. Nach meiner Meinung ist der entscheidende (Kultur-) Unterschied, dass der französische Bistro, Restaurantbesitzer gegenüber seinen Gästen ein Gefühl hat, als lade er zu sich persönlich nach Hause ein, während der deutsche vom Grundgefühl her - ganz wie E.W.B. es beschrieben hat, einen Gast-Vertrag anbieten will. Und vom Gast erwartet daher der französische Gastgeber ein sehr viel zurückhaltenderes Ein- und Auftreten, als der deutsche Gast das gewohnt ist.

    Umgekehrt wird daher dem Gast in Frankreich sehr viel mehr zugemutet als in Deutschland (z. B. rigide Küchen-Öffnungs- und Schlusszeiten, usw.) und, wenn der Gastgeber schlecht gelaunt ist, kann man sogar auch das abkriegen. Natürlich kann man immer den zugewiesenen Tisch ablehnen und seine individuellen Wünsche äußern (die auch meist erfüllt werden). Aber man muss auch damit rechnen, dass der Gastgeber keinerlei Anstrengungen unternimmt, sie zu erfüllen - und das wiederum wird in Deutschland als sehr unhöflich empfunden, weil man ja einen Gastvertrag erwartet.

    E.W.B. hat das deutsche Grundgefühl ja sehr schön zum Ausdruck gebracht:

    "Ich möchte etwas, ich bekomme etwas, ich bezahle dafür, das ist ein Geschäft, nicht mehr, nicht weniger. Aus die Maus!"

    Und das (dieses Hintergrundverhalten) ist eben für den französischen Bistro-, Restaurantbesitzer (und Kellner) extrem unhöflich. RetroLoc hat das ja auch sehr schön gesagt, indem er auf den Unterschied zwischen "restaurant anonyme" und "auberge rurale" hinwies. Vom Gast-Vertrag her (E.W.B.) gibt es da in der Tat keinen Unterschied, aber das ist eben deutsch und nicht französisch "gedacht" (was natürlich unbewusst, also im Hintergrund wirkt) Jedenfalls erfahre ich, seitdem ich den französchichen Gastgeber grundsätzlich wie einen Hausherren behandele, sehr viel französische Höflichkeit und fühle mich in der Tat nicht mehr als "Fremder" (worauf weigelie ja richtigerweise hinwies), was mit der deutschen Grundeinstellung (Gastvertrag-Abschließer) unvermeidlich bleibt.






    #18Verfasser Gentilloup (285098)  19 Okt. 19, 13:54
    Kommentar

    Ja, „Lieber Wolf“, Du hast das glaube ich recht gut auf den Punkt gebracht. Ich selbst komme mir tatsächlich absolut nicht unverschämt und fordernd vor, sondern „normal höflich“. (Und die zwei Motorradfahrer aus meiner #6 waren ganz bestimmt Franzosen*, die hätten es ja dann eigentlich besser wissen müssen). Dieses merkwürdige Beharren auf dem Zweiertisch ist, denke ich, nur in "restaurants anonymes" vorgekommen, und ich habe schon absolut hinreißenden Service in winzigen Provinznestern erlebt.

     

    Ein Beispiel, auch wenn wir dazu bis in meine Teenie-Tage zurückgehen müssen: Familie (meine Eltern und ihre beiden Jüngsten, also mein kleines Brüderchen und ich) auf dem Rückweg von einem Spanienurlaub. Etappenunterkunft hatte mein Vater in einem südfranzösischen Nest, in dem er in seiner Jugend mal gewesen war, vorab reserviert, samt Abendessen. Seine Zeitplanung kam nicht so ganz hin, und so sahen wir bei der Ankunft in große Küchenfenster, hinter denen eifrig geputzt und gescheuert wurde. Wir wurden auf das Allerherzlichste begrüßt und das Bedauern über die bereits geschlossene Küche wortreich und liebenswürdig zum Ausdruck gebracht. Die Leute hatten einfach gedacht, wir kämen gar nicht mehr. Wir fragten, ob wir wohl irgendwo in der Nähe noch etwas zu Essen bekämen. Das wurde vehement abgelehnt, wir könnten nach einem viel zu langen Tag im Auto doch nicht schon wieder losfahren. (und „der arme Kleine braucht doch jetzt sofort etwas zu Essen!“) Das gesamte noch anwesende Personal konferierte lebhaft, und das Ergebnis war ein geradezu verlegen vorgetragenes Angebot, diverse kalte Speisen aus dem Kühlschrank zu holen – das sei ja nun wahrhaftig kein Abendessen, aber wir dürften in ihrem Hause doch nicht hungrig ins Bett gehen. Ich glaube, das war das beste kalte Büffet meines Lebens, und die Mengen völlig unbewältigbar. Patron und Patronne setzen sich zu uns. Und schließlich saßen er und meine Vater noch ewig beim Wein zusammen und verglichen Erinnerungen. (Ich habe noch viele, deutlich später geschehene schöne derartige Erlebnisse gehabt, aber dieses war einfach großartig).

     

    *(OK, ich habe mir nicht die Ausweise zeigen lassen, aber die französischen Kennzeichen, mir muttersprachlich erscheinendes Französisch und die im Vergleich zu Deutschland etwas laxeren Tischsitten legen den Schluß doch nahe).






    Stunden später:


    Auf dieser Tour waren wir auch ein paar Tage privat zu Besuch, und selbstverständlich fragten wir vor der ersten gemeinsamen Mahlzeit, welche Plätze wir einnehmen sollten. Mache ich als Gast in privaten Domizilen ganz automatisch. (Viele Menschen haben ja ihre „Stammplätze“, in manchen Fällen will man als Gastgeber so sitzen, daß nicht erst alle aufgescheucht werden müssen, bevor man Nachschub holen kann, manchmal muß Rücksicht auf noch nicht selbstständig essende Kinder genommen werden…).

     

    Und es ist ja auch nicht so, daß wir im Restaurant das Personal ignorieren würden. Aber wenn da niemand ist? An dem oben geschilderten Gewitterabend sind wir nicht einfach hereingeplatzt und haben uns den besten Platz genommen. Erst mal reinkommen, den (vom Hotel ausgeliehenen) Schirm im Flurbereich ausschütteln und abstellen, Gastraum besichtigen, leise miteinander sprechen „Ist das hier vollkommen leer wegen des Wetters oder taugt das Essen doch nichts? Bleiben wir hier? Komm, wir probieren es einfach. Wo wollen wir uns setzen?“ etc. (Karte draußen wirkte, als fänden wir da Wohlschmeckendes zu akzeptablen Preisen). Die ganze Zeit kein Mensch zu sehen. Irgendwann saßen wir halt dann schließlich doch, und auch dann erschien erst diverse Minuten später jemand, der uns einzige Gäste an den schlechtesten Tisch des ganzen Ladens setzen wollte.

     

    Ich werde einfach beim nächsten Frankreichaufenthalt (ich bin da immer wieder sehr sehr gerne!) versuchen, diesen Unterschied im „Grundgefühl“ besser zu berücksichtigen. Aber wenn es nun mal normal ist, daß ich auch mit der aktuell gerade schlechten Laune des Gastgebers leben muß, muß der auch damit leben, daß ich eventuell woanders speise 😛.

    #19Verfasser C3PO (877869)  19 Okt. 19, 16:17
    Kommentar

    heißt es nicht : "der Deutsche lebt um zu arbeiten, der Franzose arbeitet um zu leben" ?


    #20Verfasser ama-ryllis (1081929) 31 Okt. 19, 21:28
    Kommentar

    Das ist mal wieder eins von diesen dummen, um nicht zu sagen gefährlichen, Vorurteilen. Vor kurzem sagte mir ein deutscher Schreinermeister ganz von sich überzeugt und stolz auf seinen Berufsstand: "Finden Sie mir mal einen deutschen Handwerker, der samstags noch arbeitet". Zufällig waren bei einem unserer Nachbarn selbst samstags polnische Handwerker eifrig am werken, und zwar von morgens ca. um 7:00 bis abends ca. 19:00, keine Schwarzarbeiter, wohlgemerkt, sondern Mitarbeiter einer offiziell zugelassenen polnischen Firma.. Und, oh Wunder, die waren sogar lustig und lachten noch bei der Arbeit...

    #21Verfasser E.W.B. (883771)  03 Nov. 19, 14:21
    Kommentar

    von den polnischen Arbeitern weiß man, dass sie eine zeitlang durcharbeiten, auch unter üblen Bedingungen,

    dann mit dem verdienten Geld nach Polen zurückreisen und sich eine schöne Zeit machen -

    wenn das Geld alle ist, arbeiten sie wieder.

    zumindest war es füher so, vor ca. 10 Jahren ...

    #22Verfasser ama-ryllis (1081929) 06 Nov. 19, 12:50
    Kommentar

    von den polnischen Arbeitern weiß man...


    Wer ist "man"? Du? Wieviele polnische Arbeiter kennst du persönlich?


    Die, die ich persönlich erlebt habe, arbeiteten in Deutschland alle Jahre wieder, bis der Spargel gestochen und dann bis die Trauben gelesen waren. Dazwischen fuhren sie nach Hause, weil 6-8 Wochen deutscher Minilohn in Deutschland lange vor der nächsten Saison aufgebraucht gewesen wäre. Durch die niedrigeren Lebenshaltungskosten in Polen konnten sie sich damit "durchhangeln".



    #23VerfasserEifelblume (341002) 06 Nov. 19, 16:20
    Kommentar

    Kehrseite der Medaille also

    #24Verfasser ama-ryllis (1081929) 07 Nov. 19, 20:48
    Kommentar

    @Gentilloup #18:

    Das erklärt einiges, da ist ja ein himmelweiter Unterschied in der Auffassung, auf den ich niemals gekommen wäre.

    Der französische Wirt empfindet mich als Gast in seinem Haus, nicht als Kunden. Ich erwarte einen Dienstleister und begegne dem Hausherrn - kein Wunder, dass der mich als unverschämt und ich ihn als arrogant empfinde.


    Gibt es noch mehr solcher Situationen, in denen die "typisch französische Arroganz" auf so einem Missverständnis beruht?

    #25VerfasserEifelblume (341002) 11 Nov. 19, 13:48
    Kommentar

    Siehe auch: y voir que du feu


    Es gibt im Bereich Redewendungen Beispiele für himmelweite Unterschiede in der Auffassung.

    Zum Beispiel bei der Redewendung "n'y voir que du feu", die im o.g. Faden diskutiert wird.

    #26Verfasser ama-ryllis (1081929) 26 Nov. 19, 12:30
    Kommentar

    Mir schoß gerade eine vor Jahren gelesene Restaurantkritik durch den Kopf, die uns, weil treffend, sehr amüsiert hatte. Da hieß es: „im XY hat sich der Gast so zu benehmen, daß der Wirt sich wohl fühlt“. Es kann also auch in Deutschland so zugehen 😆.

    #27Verfasser C3PO (877869) 27 Nov. 19, 13:15
    Kommentar

    #25 Eifelblume:

    Sehr interessante Feststellung.

    Der Unterschied ob Restaurant oder zuhause scheint mir in Frankreich auch wesentlich geringer und das erklärt mir auch wieder das Verhalten der Gäste zuhause.

    [Wenn man ja weiß, wie sich jemand fühlt und es einen Grund gibt für ein Verhalten, kann man es besser verstehen und es ist dann kein Problem mehr]


    vielen Dank für den aufschlussreichen Kommentar

    #28Verfasser Lorettaspaghetti (1194264) 28 Nov. 19, 09:22
    Kommentar

    ein weiterer Beitrag zu dem Thema, ob es Beispiele für grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen gibt, scheint mir die Diskussion "la pesée du pain" zu sein


    Siehe auch: la pesée du pain


    Für diese Formulierung gibt es im Deutschen offenbar gar keine Entsprechung.


    Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal betont habe : solche grundsätzlichen Unterschiede finde ich einfach nur interessant. Sie haben mMn nichts trennendes. Sich mit ihnen zu beschäftigen, führt nur dazu, die andere Sprache besser zu verstehen.



    #29Verfasser ama-ryllis (1081929) 09 Dez. 19, 20:21
     
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