Ja, „Lieber Wolf“, Du hast das glaube ich recht gut auf den Punkt gebracht. Ich selbst komme mir tatsächlich absolut nicht unverschämt und fordernd vor, sondern „normal höflich“. (Und die zwei Motorradfahrer aus meiner #6 waren ganz bestimmt Franzosen*, die hätten es ja dann eigentlich besser wissen müssen). Dieses merkwürdige Beharren auf dem Zweiertisch ist, denke ich, nur in "restaurants anonymes" vorgekommen, und ich habe schon absolut hinreißenden Service in winzigen Provinznestern erlebt.
Ein Beispiel, auch wenn wir dazu bis in meine Teenie-Tage zurückgehen müssen: Familie (meine Eltern und ihre beiden Jüngsten, also mein kleines Brüderchen und ich) auf dem Rückweg von einem Spanienurlaub. Etappenunterkunft hatte mein Vater in einem südfranzösischen Nest, in dem er in seiner Jugend mal gewesen war, vorab reserviert, samt Abendessen. Seine Zeitplanung kam nicht so ganz hin, und so sahen wir bei der Ankunft in große Küchenfenster, hinter denen eifrig geputzt und gescheuert wurde. Wir wurden auf das Allerherzlichste begrüßt und das Bedauern über die bereits geschlossene Küche wortreich und liebenswürdig zum Ausdruck gebracht. Die Leute hatten einfach gedacht, wir kämen gar nicht mehr. Wir fragten, ob wir wohl irgendwo in der Nähe noch etwas zu Essen bekämen. Das wurde vehement abgelehnt, wir könnten nach einem viel zu langen Tag im Auto doch nicht schon wieder losfahren. (und „der arme Kleine braucht doch jetzt sofort etwas zu Essen!“) Das gesamte noch anwesende Personal konferierte lebhaft, und das Ergebnis war ein geradezu verlegen vorgetragenes Angebot, diverse kalte Speisen aus dem Kühlschrank zu holen – das sei ja nun wahrhaftig kein Abendessen, aber wir dürften in ihrem Hause doch nicht hungrig ins Bett gehen. Ich glaube, das war das beste kalte Büffet meines Lebens, und die Mengen völlig unbewältigbar. Patron und Patronne setzen sich zu uns. Und schließlich saßen er und meine Vater noch ewig beim Wein zusammen und verglichen Erinnerungen. (Ich habe noch viele, deutlich später geschehene schöne derartige Erlebnisse gehabt, aber dieses war einfach großartig).
*(OK, ich habe mir nicht die Ausweise zeigen lassen, aber die französischen Kennzeichen, mir muttersprachlich erscheinendes Französisch und die im Vergleich zu Deutschland etwas laxeren Tischsitten legen den Schluß doch nahe).
Stunden später:
Auf dieser Tour waren wir auch ein paar Tage privat zu Besuch, und selbstverständlich fragten wir vor der ersten gemeinsamen Mahlzeit, welche Plätze wir einnehmen sollten. Mache ich als Gast in privaten Domizilen ganz automatisch. (Viele Menschen haben ja ihre „Stammplätze“, in manchen Fällen will man als Gastgeber so sitzen, daß nicht erst alle aufgescheucht werden müssen, bevor man Nachschub holen kann, manchmal muß Rücksicht auf noch nicht selbstständig essende Kinder genommen werden…).
Und es ist ja auch nicht so, daß wir im Restaurant das Personal ignorieren würden. Aber wenn da niemand ist? An dem oben geschilderten Gewitterabend sind wir nicht einfach hereingeplatzt und haben uns den besten Platz genommen. Erst mal reinkommen, den (vom Hotel ausgeliehenen) Schirm im Flurbereich ausschütteln und abstellen, Gastraum besichtigen, leise miteinander sprechen „Ist das hier vollkommen leer wegen des Wetters oder taugt das Essen doch nichts? Bleiben wir hier? Komm, wir probieren es einfach. Wo wollen wir uns setzen?“ etc. (Karte draußen wirkte, als fänden wir da Wohlschmeckendes zu akzeptablen Preisen). Die ganze Zeit kein Mensch zu sehen. Irgendwann saßen wir halt dann schließlich doch, und auch dann erschien erst diverse Minuten später jemand, der uns einzige Gäste an den schlechtesten Tisch des ganzen Ladens setzen wollte.
Ich werde einfach beim nächsten Frankreichaufenthalt (ich bin da immer wieder sehr sehr gerne!) versuchen, diesen Unterschied im „Grundgefühl“ besser zu berücksichtigen. Aber wenn es nun mal normal ist, daß ich auch mit der aktuell gerade schlechten Laune des Gastgebers leben muß, muß der auch damit leben, daß ich eventuell woanders speise 😛.