Hier sind zwei Artikel, die ich gestern interessant fand.
Ein Interview mit dem Leiter eines Gesundheitsamts:
ZEIT ONLINE: Viele Leiterinnen und Leiter von Gesundheitsämtern sagen, sie seien mit der aktuellen Situation überfordert. Sie auch?
Larscheid: Überfordert? Nein. Ob wir alles schaffen? Natürlich nicht. Wir sind angestrengt, weil wir viel arbeiten müssen. Aber wir versuchen alles, was eben unter den Umständen geht. Es stimmt: Anders als im Sommer können wir die Covid-19-Fälle derzeit nicht mehr alle abarbeiten. Das heißt, wir können nicht alle Infizierten und ihre Kontaktpersonen so schnell informieren, wie es sein müsste. Aber so ist es nun einmal.
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ZEIT ONLINE: Manche Experten schlagen schon länger vor, mehr auf Clusterverfolgung zu setzen, also eher rückwärts zu schauen, bei welchem Ereignis sich jemand angesteckt haben könnte. Wenn sich dann herausstellt, dass es ein Quellcluster gibt, also zum Beispiel eine Geburtstagsfeier, bei der sich potenziell viele Teilnehmer zeitgleich infiziert haben, könnte man überlegen, diese Personen auch ohne vorherigen Test in Quarantäne zu schicken. Wie sehen Sie das?
Larscheid: Theoretisch ist das ein sinnvoller Vorschlag. Aber leider gibt es in der Praxis ein Problem, vor allem bei den derzeitigen hohen Fallzahlen: Um Cluster identifizieren zu können, muss man vorher erst einmal eine aufwendige Fallermittlung machen. Denn woher soll ich sonst wissen, ob es ein Cluster gibt? Wenn diese Recherche dann ergibt, dass sich mehrere Personen bei ein und demselben Event angesteckt haben, dann bitten wir die Mitglieder dieses Clusters sowieso, in Quarantäne zu gehen. Aktuell schaffen wir diese Ermittlungsarbeit in vielen Fällen ja aber gerade nicht mehr.
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ZEIT ONLINE: Wie viele Menschen sind bei Ihnen gerade zusätzlich im Einsatz?
Larscheid: Ungefähr 100, damit sind wir etwa bei 250 Leuten. Inklusive der aktuell 22 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, die uns unterstützen und die wir sehr schätzen. Und wir stellen gerade weitere Menschen ein.
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ZEIT ONLINE: Wie viele Leute bräuchten Sie, um die Kontakte wieder nachverfolgen zu können?
Larscheid: So viel Personal kann man bei den aktuellen Infektionszahlen gar nicht einstellen. Daher hoffen wir alle hier sehr, dass die Maßnahmen wirken und sich wieder dauerhaft weniger Menschen anstecken, und zwar deutlich weniger als 50 pro 100.000 pro Woche. Das würde uns das Leben sehr erleichtern.
ZEIT ONLINE: Die aktuellen Beschränkungen gelten vorerst bis Ende November. Wie, schätzen Sie, wird es danach weitergehen?
Larscheid: Ich denke, wir werden mit diesen Beschränkungen bis ins neue Jahr leben müssen. Man kann die Maßnahmen nicht zurücknehmen und dann erneut verhängen. Das wäre den Menschen nur sehr schwer zu vermitteln. Ich halte es aber für nicht besonders klug, dass die Politik die derzeitigen Beschränkungen damit verknüpft hat, Weihnachten retten zu wollen. Diese Kopplung ist einfach infantil. Statt Weihnachten zu retten, sollten wir das Ziel haben, so vielen Menschen wie möglich ein nächstes Weihnachten überhaupt zu ermöglichen.
ZEIT ONLINE: Viele dürften das etwas anders sehen und auf ein großes Familienfest nicht verzichten wollen.
Larscheid: Das ist nicht sehr erwachsen. Ich habe für so eine Haltung keinen Respekt. Auch ich habe Familie und hätte es gern anders. Aber was bringt es, sich jetzt hinzustellen und zu sagen: Die Pandemie muss doch mal aufhören? Gar nichts. Diesen Winter geht es darum, sich zurückzunehmen – auch für andere.
Und ein Artikel über den Belastungszustand des medizinischen Personals in den USA:
In the months since March, many Americans have habituated to the horrors of the pandemic. They process the election’s ramifications. They plan for the holidays. But health-care workers do not have the luxury of looking away: They’re facing a third pandemic surge that is bigger and broader than the previous two. In the U.S., states now report more people in the hospital with COVID-19 than at any other point this year—and 40 percent more than just two weeks ago. [...]
Hospitals have put their pandemic plans into action, adding more beds and creating makeshift COVID-19 wards. But in the hardest-hit areas, there are simply not enough doctors, nurses, and other specialists to staff those beds. Some health-care workers told me that COVID-19 patients are the sickest people they’ve ever cared for: They require twice as much attention as a typical intensive-care-unit patient, for three times the normal length of stay. “It was doable over the summer, but now it’s just too much,” says Whitney Neville, a nurse based in Iowa. “Last Monday we had 25 patients waiting in the emergency department. They had been admitted but there was no one to take care of them.” I asked her how much slack the system has left. “There is none,” she said.
The entire state of Iowa is now out of staffed beds, Eli Perencevich, an infectious-disease doctor at the University of Iowa, told me. Worse is coming. Iowa is accumulating more than 3,600 confirmed cases every day; relative to its population, that’s more than twice the rate Arizona experienced during its summer peak, “when their system was near collapse,” Perencevich said. With only lax policies in place, those cases will continue to rise. Hospitalizations lag behind cases by about two weeks; by Thanksgiving, today’s soaring cases will be overwhelming hospitals that already cannot cope. “The wave hasn’t even crashed down on us yet,” Perencevich said. “It keeps rising and rising, and we’re all running on fear. The health-care system in Iowa is going to collapse, no question.”
In the imminent future, patients will start to die because there simply aren’t enough people to care for them. Doctors and nurses will burn out. The most precious resource the U.S. health-care system has in the struggle against COVID-19 isn’t some miracle drug. It’s the expertise of its health-care workers—and they are exhausted. [...] If death rates have fallen thanks to increasing medical savvy, they might rise again as nurses and doctors burn out. “If we can get patients into staffed beds, I feel like they’re doing better,” Perencevich said. “But that requires a functional health-care system, and we’re at the point where we aren’t going to have that.” [...]
For many health-care workers, the toll of the pandemic goes beyond physical exhaustion. COVID-19 has eaten away at the emotional core of their work. “To be a nurse, you really have to care about people,” Neville said. But when an ICU is packed with COVID-19 patients, most of whom are likely to die, “to protect yourself, you just shut down. You get to the point when you realize that you’ve become a machine. There’s only so many bags you can zip.” [...]
As hard as the work fatigue is, the “societal fatigue” is harder, said Hatton, the Utah pulmonary specialist. He is tired of walking out of an ICU where COVID-19 has killed another patient, and walking into a grocery store where he hears people saying it doesn’t exist. Health-care workers and public-health officials have received threats and abusive messages accusing them of fearmongering. They’ve watched as friends have adopted Donald Trump’s lies about doctors juking the hospitalization numbers to get more money. They’ve pleaded with family members to wear masks and physically distance, lest they end up competing for ICU beds that no longer exist. “Nurses have been the most trusted profession for 18 years in a row, which is now bullshit because no one is listening to us,” Neville said.