Ich würde auch nicht davon ausgehen, dass diese grünen Damen oder Herren, die sicher viel Erfahrung in Gesprächsführung haben, ein Gespräch mit einem Gebetsangebot einleiten. Dafür muss ja auch die Stimmungslage des Patienten erst mal erkannt werden. Ich finde es nur albern, jeden Hinweis auf Religiosität sofort als übergriffig zu empfinden, nur weil man sonst nichts mit Religion am Hut hat. Diese Abwehrhaltung wirkt auf mich immer so, als vermute man hinter Religion eine ansteckende Krankheit. Ein Mensch macht dir ein ernst gemeintes, freundliches Hilfsangebot, das du ernst und freundlich zurückweisen kannst. Das ist was anderes, als wenn er sich ans Bett setzt, in jedem zweiten Satz auf die Bibel verweist und dir suggeriert, dass du nach deinem baldigen Ableben in der Hölle schmoren wirst, wenn du jetzt nicht mit ihm betest.
Nur zur Klarstellung, ich bin nicht wirklich religiös. Ich gehe gelegentlich mit meinen Kindern in den Familiengottesdienst, weil ich es wichtig finde, dass sie eine Innenansicht haben, um dann irgendwann eine eigene, informierte Entscheidung dazu treffen zu können. Ich mag manche religiöse Rituale, andere finde ich schwierig. Die Weltanschauung, die hinter dem Christentum steht, gefällt mir eigentlich (Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe, Toleranz); was die Kirche, insbesondere die katholischen und evangelikalen Ableger, daraus machen, finde ich häufig schwer zu ertragen.
Mein Opa war tief religiös, ohne missionarisch zu sein. Und ich habe einfach beobachtet, welchen Trost in allen schwierigen Lagen er daraus ziehen konnte, dass er sich "begleitet" fühlte. Wie dankbar er für alles sein konnte, das "sein Herr Jesus" ihm geschenkt hatte. Manchmal bin ich ganz schön neidisch darauf, dass mir das abgeht. Aber ich gehe davon aus, dass in den Generationen vor 68 viele Menschen so empfinden.