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Sprachlabor

Dear X

Betrifft		Dear X
Kommentar		Nachdem ich in den letzten Jahren wohl mehr E-Mails an Briten/Amerikaner (nicht nur Internet-Bekannschaften, ein paar davon kenne ich auch "wirklich") geschrieben habe, als an Deutsche, muß ich mich doch sehr wundern, wieviele davon recht früh angefangen haben, mich mit "Dear" (nur Vorname, oft gefolgt von "Yours" am Schluß) anzureden, was mich zugestandenermaßen doch etwas verwirrt hat - "Also, Leute, äh, jetzt macht mal bitte halblang!" Also hat sich mir die folgende Frage gestellt: Ist es wirklich korrekt, "Dear X" mit "lieber X" (mag ich eigentlich nur aus der Feder von Verwandten oder SEHR engen Freunden lesen) zu übersetzen, oder ist "dear" in diesem Kontext doch etwas distanzierter und höflicher? Ich weiß, daß im Deutschen "Dear Mr./Dear Sir" zu "sehr geehrter Herr" mutiert. Bin ich vielleicht nur zu "deutsch" und verklemmt, oder muß ich mir doch was auf meine sympatische Ausstrahlung einbilden? (Eigentlich eher unwarscheinlich, wenn Ihr mich fragt.) Kann mir jemand ein paar Kilowatt Erleuchtung spenden? Vielen Dank im Voraus.
Verfasser		Johannes	26 Sep. 02, 10:12

#1	Verfasser	Doris L	26 Sep. 02, 10:30
Kommentar		Mit was hättest Du (oder muß ich vielleicht Sie sagen?) das "dear" denn gerne ersetzt? So viele Alternativen gibt es da meines Wissens nicht (sprich gar keine). Störst Du Dich am Gebrauch des Vornamens? Da sind die Briten/Amis tatsächlich weniger verklemmt, als die Deutschen. Ehrlich gesagt -- ich glaube, ich verstehe die Hälfte Deiner Frage nicht.

#2	Verfasser	frank	26 Sep. 02, 10:35
Kommentar		Also wenn Du in den letzten Jahren viel mit Amis und Briten zutun hattest, dürfte Dich diese Frage doch wohl nicht beschäftigen. In täglichen Geschäftsleben inGB und in USA ist es normal das man sich mit Vornamen anspricht. Auf und auch zwischen den Hierarchiestufen. Mir ist es fast peinlich -beim ersten Kontakt, gehts ja vielleicht noch - einen Amerikaner mit Mr. XY anzusprechen, er wird sich nur wundern über seinen dt. Geschäftspartner. Das ganze liegt einfach darin begründet, dass sich die Deutschen mit Ihrem Sie und Du Gebrauch herumplagen müssen.... Und wenn Dir 'Dear' zu nahe geht, versuch's mit 'Hello Frank'.......'Best regards, Johannes '

#3	Verfasser	woody	26 Sep. 02, 11:05
Kommentar		"Dear ..." ist in der englischsprachigen Korrespondenz so ziemlich die einzige und auch allgemein übliche Anrede - unabhängig vom jeweiligen Grad der "Vertrautheit" mit dem Empfänger (z.B. auch "Dear Sirs ..."); entsprechend ist es im Deutschen entweder mit "Liebe(r)" oder mit "Sehr geehrte(r)" zu übersetzen. (Mit einer "Mutation" hat das aber nichts zu tun ...) Allerdings ist man besonders im US-Englischen wirklich sehr schnell "on a first-name basis", was aber keinesfalls immer gleich mit dem deutschen "auf Du und Du" gleichzusetzen ist. Und schließlich hat man im Deutschen ja auch noch die Möglichkeit, jemanden mit Vornamen und "Sie" anzusprechen ...

#4	Verfasser	Johannes	26 Sep. 02, 11:18
Kommentar		Okay, werde versuchen, mich ein wenig deutlicher auszudrücken. Meines Wissens ist die Anrede "Lieber X" im Deutschen nur angebracht, wenn mir ein Verwandter oder ein enger Freund schreibt. Mir ist dagegen aber schon oft recht oft vorgekommen, daß ich in E-Mails von Leuten, die die o.g. Kriterien nicht erfüllen, mit "dear Johannes" angeredet worden bin. Daher hab ich mich gefragt, ob es wirklich angemessen ist, "dear" mit "liebe/lieber" zu übersetzen und ob "dear" im englischen Sprachgebrauch vielleicht anders verwendet wird, als "Lieber X" im Deutschen. In diesem recht kitzligen Gebiet ein wenig mehr Gewißheit zu haben, könnte mir in Zukunft vielleicht einige Fettnäpfchen ersparen. Doris: Wie kommst Du darauf, daß ich gesiezt werden möchte? :/

#5	Verfasser	Johannes	26 Sep. 02, 11:35
Kommentar		Aha, das erklärt ja so einiges. Vielen Dank! Jetzt ergibt doch so manches Sinn... Dummerweise versucht ein Freund von mir, der das halbe Jahr über hier als Lektor in arbeitet, die "britischen" Umgangsformen auch hier anzuwenden, nur halt auf deutsch, und hat dafür schon einige "blank stares" geerntet. (Besteht darauf, daß man ihn mit Vornamen anspricht, ihn duzt, nachdem man vielleicht bisher zweimal mit ihm gesprochen hat, usw.) Okay, was bleibt mir jetzt noch übrig, als auf der offensichtlich wahnwitzigen Verklemmtheit der Einwohner von Good Ol' Chermany herumzureiten?

#6	Verfasser	Johannes	26 Sep. 02, 11:42
Kommentar		Okay, ich sollte wohl doch darauf hinweisen, daß ich Niemanden aus meinem englischsprachigen Bekanntenkreis "geschäftlich" kenne. Aber im "nicht-geschäftlichen Bereich" gilt dann doch wohl dasselbe in Grün, oder?

#7	Verfasser	Uho <de>	26 Sep. 02, 12:16
Kommentar		Die üblichste Form der Anrede in geschäftlichen E-Mails ist eigentlich, dem Vornamen GAR NICHTS voranzustellen, also direkt mit "John, ..." zu starten. Ab und zu sehe ich auch mal ein "Hi" oder "Hello" vor dem Vornamen, aber "Dear" eigentlich so gut wie nie.

#8	Verfasser	bb	26 Sep. 02, 13:16
Kommentar		Das sind so die kulturellen Unterschiede... In England kann es schon mal passieren, dass einen wildfremde Personen auf der Strasse mit "love" ansprechen... (wie übrigens auch in Ungarn)

#9	Verfasser	woody	26 Sep. 02, 13:34
Kommentar		@bb: Im Amerikanischen gibt es ja auch die Anrede "honey" - diese wird allerdings meiner Ansicht nach eher von "mütterlichen Damen" in etwas herablassender Art gegenüber jüngeren / unerfahreneren / "naiven" Frauen gebraucht ... Ist "love" als Anrede in England denn auch unter Männern üblich?? Was sagen die (amerikanischen und britischen) Muttersprachler dazu?

#10	Verfasser	Doris L	26 Sep. 02, 13:48
Kommentar		@woody: erst heute morgen habe ich im englischen Radio gehört, wie ein Radiofritze zum anderen am Telefon "love" gesagt hat. Ich glaube allerdings, daß es ihm versehentlich rausgerutscht ist (man hört das "love" insbesondere "up north" ziemlich oft, da kann man sich schonmal vertun). Üblich scheint mir das jedenfalls ganz und gar nicht zu sein. Männer nennen sich generell "mate". Alright mate? Mate, you need to get your exhaust fixed. Cheers mate!

#11	Verfasser	woody	26 Sep. 02, 15:07
Kommentar		@Doris: Interessant ... Ist "mate" (unter Männern) nicht auch im australischen Englisch üblich?

#12	Verfasser		26 Sep. 02, 15:53
Kommentar		Uho, Habe ich auch so erlebt. Orb Ansonsten ist dem Dear vielleicht das Hallo gegenüberzusetzen: Dear Doris -> Hallo Frau XY, Yours, Orb Mfg, Morb vom Orb

#13	Verfasser	Uli	26 Sep. 02, 21:01
Kommentar		Ich kann an 'Liebe Frau XY' in Mails oder auch bestimmten Briefen nichts Verkehrtes finden. Wenn man sich persönlich kennengelernt hat, oder zumindest regelmäßig in tel. Kontakt steht, ist das doch viel netter als das steife deutsche 'Sehr geehrte ...'! Hat meiner Meinung nach auch nichts mit Respektlosigkeit zu tun - wenn ich allerdings an einen Kunden eine Mahnung schreiben muss, bevorzuge ich auch Letzteres!

#14	Verfasser	Blo Rakane	27 Sep. 02, 10:01
Kommentar		Dear ist in Geschäftsbriefen definitiv mit "sehr geehrte/-r" gleichzusetzen, in privaten Briefen eher mit "liebe/-r". Ein Gedanke am Rande: Was ist eigentlich ein lieber Mensch anderes als ein sehr geehrter Mensch? A propos love, im Indonesischen bedeutet heißt die wörtliche Übersetzung des Begriffs für "danke" so viel wie "ich habe Liebe empfangen", was natürlich nicht heißt, daß wir gerade ein Schäferstündchen miteinander verbracht haben...

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