Wieso ist es komisch, wenn Substantive unterschiedlich dekliniert werden?

den Lehrer, den Reiter, den Lektor, den Baum, den Berg, den See, den Vogel, den Adler - die werden im Akkusativ alle ohne -en gebeugt. Sind die alle komisch?

Danke, Ingeborg!

„n-Deklination“, nie geört!

Aber das will nichts heißen, bin ja als Latein- und Französischlehrer nur ,,Hobby-Germanist“! 😉

Die praktischen Tips auf der Seite scheinen aber sehr hilfreich zu sein!

Bei mir geht im Deutschen eben viel aus dem Sprachgefühl heraus, das aber angesichts des um einen herum immer weiter absinkenden allgemeinen Sprachniveaus (auch und vielleicht z. T. sogar gerade in den Medien, auch den öffentlich-rechtlichen! 🙁) immer öfter auf eine harte Probe gestellt wird...

Zurück zur Frage des OT. Der Genitiv 'des Types' auf -es klingt für mich sehr altmodisch und überholt. Es finden sich zwar noch ein paar Belege im Netz, der Duden jedoch hat - zumindest online - das e aufgegeben. Dort steht nur 'des Typs'. Sprache wandelt sich halt - mit oder ohne feste Regeln - und sich so alle 20 Jahre einen neuen Duden zuzulegen, ist in meinen Augen nicht verkehrt

Wenn denn der Duden den Namen seines Urvaters noch verdiente, könnte man schon immer mal wieder einen neuen kaufen.

Aber den Primitiv- und Beliebigkeitsschrieb tu’ ich mir nicht an!

→ für den deutschsprachigen Raum die größte kulturpolitische Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg (OK, mittlerweile vielleicht langsam vom Corona-Kahlschlag getoppt...)!

Ja, nur ist Latein unter ganz anderen Umständen „verfallen“ – und auch wieder n i c h t verfallen.

Außerdem ist nicht das Latein, das Du wahrscheinlich aus Schulzeiten (oder auch beruflich?) kennst, die Grundlage der romanischen Sprachen, sondern das Volkslatein, das schon vor 2000 Jahren so weit vom klassischen Schriftlatein eines Caesar oder Cicero entfernt war, wie es heute vielleicht tiefes Schwäbisch vom Standarddeutschen ist. Italienisch, Spanisch, Französisch (→ da steckt aber auch noch ein bißchen Keltisch und ein guter Schuß Fränkisch mit drin (wie der Name es schon sagt)) etc. sind nichts anderes als angewandtes (Volks-) Latein und waren in ihren älteren Sprachstufen nie ein Bruch oder „Verfall“ gegenüber dem Volkslatein, sondern eine organische Fortführung. Die Übergänge waren fließend. Und diatopisch gesehen, gab es „DAS Latein“ ohnehin nie, allein schon aufgrund der immensen Ausdehnung des Reiches!

Ich widerspreche natürlich auch nicht, daß sich Sprachen wandeln: Allein vom Altlateinischen bis zum klassischen Latein ist es ein sehr weiter Weg! Dennoch werden größere Umbrüche immer von außen mds. begünstigt, wenn nicht z. T. auch ausgelöst. Und da wir zum Glück wenigstens in Mitteleuropa nicht mehr in Zeiten leben, in denen man immer wieder mit kriegerischen Auseinandersetzungen rechnen muß und mit Verschiebungen auf der Landkarte, kann sich eine Sprache nur von INNEN heraus den Garaus machen! Und da sind wir gerade auf einem „guten“ Weg! 🙁

Die Franzosen haben es übrigens auch mal versucht mit einer Rechtschreibreform – zunächst sogar gestützt von der altehrwürdigen „Académie française“ (bei uns hingegen wird so etwas von einem Rudel dahergelaufener selbsternannter „Kultusexperten“ beschlossen...). Dort aber haben sich die Verlage und die Zeitungen ganz offen gegen die Reform gestellt, so daß dann auch die „Académie française“ kleinlaut ihre Unterstützung wieder zurückgezogen hat. Letzten Endes eine demokratische Entscheidung!

Dort hat sich der traditionelle Sprachgebrauch und der gesunde Menschenverstand durchgesetzt.

In Deutschland aber („amtliche Rechtschreibung“ – daß ich nicht lache!) wurde die Reform von einem zweifelhaften „Oben“ verordnet – gleichsam per Dekret!

Die „Reform“ (wie weiland „DDR“ nur in Anführungszeichen zu ertragen) war schon wissenschaftlich SEHR umstritten, die maßgeblichen Träger aus der Wissenschaft selbst innerhalb derselben umstritten. Ab einem gewissen Punkt standen kaum noch mehr als wirtschaftliche Interessen im Raum (ich möchte nicht wissen, wie dumm und dämlich sich damals das Bibliographische Institut/der Duden-Verlag (damals zum Langenscheidt-Konzern gehörig) verdient haben – nicht nur durch den Verkauf der Millionen von Rechtschreib-Duden, sondern auch durch das florierende Geschäft mit einer großen Palette an Peripherieliteratur („Kommasetzung in der neuen ,Rechtschreibung‘ leicht gemacht“ und ähnliche sinnige Titel...).

Und dann hat die KMK es tatsächlich hingekriegt, Millionen Deutsche mit einem z. T. völlig unlogischen und nicht selten in sich widersprüchlichen Machwerk über Nacht zu „Rechtschreibdeppen“ zu machen!

Den Titel „amtlich“ kann ja nur etwas tragen, was auch demokratisch legitimiert ist...: Das war die „Rechtschreibreform“ aber in KEINER Weise! Zunächst hat über die Einführung NIE ein Parlament abgestimmt! Es gab fast bundesweit eine DEUTLICHE Ablehnung in der Bevölkerung! Und dann hat noch die KMK versprochen, daß das Ding vom Tisch ist, wenn sich auch nur EIN Bundesland dagegen entscheidet.

Schleswig-Holstein HAT sich in einem Volksentscheid gegen die „Rechtschreibreform“ ausgesprochen (was ging in der Folge die KMK ihr Geschwätz von gestern an...?!?) und ist dann zunächst zur bewährten traditionellen Rechtschreibung zurückgekehrt, bis sich dann gerade einmal EIN Jahr später die dortige CDU nicht entblöden konnte, mit ihrer parlamentarischen Mehrheit das Votum des Volkes wieder zu kippen. Das läßt auch TIEF blicken in Sachen Demokratieverständnis und Respektieren des Wählerwillens! 🙁

Zum ursprünglichen Thema:

Ich persönlich stelle in der Schule, aber auch in meinem eigenen Sprachgebrauch fest, daß die Genitivendung „-es“ diaphasisch höher steht als die Endung „-s“, will heißen: Je gehobener der Sprachgebrauch, desto eher trifft man auf „-es“.

P.S.: Wüßte nicht, worin meine Stellungnahme zur sog. „Rechtschreibreform“ unsachlich gewesen sein soll. Daß die Stellungnahme auch polemisch ist, streite ich nicht ab. Die Polemik ist aber angesichts des Vorgehens der KMK und der anderen politischen Verantwortlichen absolut gerechtfertigt.

Ah, danke, dirk, über die Herkunft des "ns" wusste ich nichts 🙂.

@ #15: Danke, das ist interessant!

Liebste/r Struppi, ganz in Großbuchstaben zu schreiben gilt als Schreien. Könntest du dir das bitte abgewöhnen? Vielen Dank.

Bei nachlässigem Gebrauch bin ich ganz bei dir. Aber Sprachwandel entsteht zu einem großen Teil aus dem, was zunächst von Bewahrer*innen eines gewissen Sprachstands als "fehlerhaft" betrachtet wird.

Ich hatte das Privileg, die Rechtschreibreform erst aus nächster Nähe zu betrachten, z.B. im Gespräch mit dem Germanisten Klaus Heller, der an der Reform maßgeblich beteiligt war (und mit der Einflussnahme wenig kompetenter Menschen sowie einer Stimmungsmache u.a. von der BILD-Zeitung - ausgerechnet - umgehen musste), und dann die Perspektive der Auslandsgermanistik einnehmen zu dürfen. Da war der Tenor also nicht: "Ich habe das so gelernt, warum sollte ich jetzt umlernen?", sondern: "Super! Die ganzen Ausnahmen sind weg, und man kann an der Schreibung viel besser die Aussprache erkennen."

Deine Stichprobe an Ausländer*innen war wohl eine andere als meine.

Aber wir diskutieren gern weiter, wenn du dich auf den aktuellen Stand gebracht hast und mal geschaut hast, was tatsächlich gilt (jaja, erst sein 2006, 15 Jahre sind zum Einlesen für einen Sprachenlehrer etwas kurz).

Das wäre z. B. (Tendenzen hierzu gibt es, allerdings auch hier auf der Basis mangelhafter Beherrschung oder aufgrund von nachlässigem Gebrauch) der Wegfall des Genitivs.

Das würde das Deutsche aber typologisch verändern und hätte irgendwann auch Auswirkung auf Wortstellungsmöglichkeiten im Satz. Das noch (relativ) gut ausgeprägte Kasussystem des Deutschen erlaubt eine viel freiere, flexiblere (und oft auch der Thema-Rhema-Logik viel enger folgende und damit das Denken besser abbildende) Wortstellung, als dies z. B. im Englischen oder Französischen der Fall ist.

Was ich auch ärgerlich finde (ist jetzt vielleicht auch nicht gleich die Ebene des Sprachwandels...), ist das zusammengesetzte Substantive – wohl aufgrund des unseligen Einflusses des Englischen – immer häufiger ohne Bindestrich geschrieben werden. Auch das geht gegen die Typologie des Deutschen.

Echter (= „legitimer“) Sprachwandel entspringt typologisch notwendigen Änderungen. Diese Notwendigkeit kann von den verschiedensten Faktoren bedingt sein. Momentan sehe ich aber solche zwingenden Notwendigkeiten für das Deutsche nicht. Das Gros des heutigen „Sprachwandels“ geht für mich auf eine mangelhafte Beherrschung zurück (auch wenn es ganz „uncool“ ist, so etwas heute laut zu sagen...).

Und wenn die Beherrschung einmal gänzlich fehlt, dann kommt es zu echten Sprachumbrüchen.

Dagegen steht aber, daß die meisten (zumindest westlichen) Sprachen durch ihre schriftlich Kodifizierung von solchen Umbrüchen zum Glück (noch) weit entfernt sind.

Mehr Lesen (und zwar nicht irgendwas, sondern gute, auch klassische Literatur) würde schon mal Wunder wirken!

Wenn ich z. B. mds. fünfmal in der Woche von meinen Schülerinnen und Schülern „laufte“, „bittete“, „ratete“ u. ä. höre, hat das mit Sprachwandel relativ wenig zu tun, sondern zeugt von kindlichem Sprachgebrauch (klar, Kinder wollen beim (muttersprachlichen) Spracherwerb Analogien schaffen).

Wir lassen unsere Kinder lange Reihen von englischen und lateinischen Stammformen lernen, sie beherrschen aber die des Deutschen schon gar nicht mehr!

Insgesamt kann man seit spätestens den 10er Jahren dieses Jahrhunderts feststellen, daß Sprache ein immer schwächer werdendes Kriterium wird (m. E. hauptsächlich weil gerade die jüngere(n) Generation(en) immer mehr Zeit vor Bildschirmen (und das meist nicht mit Text, sondern mit Videos/Bildern) verbringen. Die Sprache(n) verarmt/-en, und der Sprachgebrauch wird defizitär.

Und da sollten in einer Demokratie bei allen Bildungsverantwortlichen die Alarmglocken schrillen, weil der Diskurs auf vielen Ebenen einer demokratischen Gesellschaft unabdingbar ist! Er ist es, der die Bürgerinnen und Bürger eines Staats „mündig“ macht, der ihn befähigt, unsere immer komplexer werdende Welt zu beschreiben, zu diskutieren und ggf. zu hinterfragen. Die Welt wird komplexer (und vielfach auch komplizierter...), und die Sprache einfacher? Das paßt nicht zusammen und wird auf Dauer nicht gutgehen!

Ein Beispiel ist (OK, auch das mag man auf „fehlerhaften“ oder defizitären Sprachgebrauch zurückführen) der typologische Umbau des Altfranzösischen hin zum Mittelfranzösischen:

Durch das zunehmende Verstummen von Endungen, bsd. Endkonsonanten, geriet die altfranzösische Deklination (Casus rectus (cas sujet) und Casus obliquus (cas régime)) „unter die Räder“, und es entstand zum Mittelfranzösischen hin die Notwendigkeit eines typologischen Umbaus der Sprache:

Während die Wortstellung im Altfranzösischen der germanischen (fränkischen = francisca > franceise > françoise) noch sehr ähnlich war (Zweitposition des Prädikats), entwickelte sich in der Folge die heute noch gültige SVO-Wortstellung (sujet – verbe – objet (vgl. das Englische)).

In diesem Fall war der auslösende Faktor für den Sprachwandel eben die Änderung in der Aussprache.

Aufpassen: Nicht ein MEDIUM (!) mit dem (globalen) individuellen Mediennutzungsverhalten verwechseln!

Klar, das Internet ist ein geniales Medium, das unsere moderne Welt revolutioniert hat, und ich wäre der letzte, der dahinter zurückmöchte!

Und: Die Kompetenz, zwischen Registern zu wechseln (→ Diaphasie), ist ab einem bestimmten Alter und einem gewissen Bildungsniveau eine Banalität.

Das Präteritum taucht in meinem Unterricht übrigens hauptsächlich in Lateinübersetzungen auf... 😉

Hier im Süddeutschen erzählt man mündlich tatsächlich mehr im Perfekt.

Die Schülerinnen und Schüler, von denen ich da spreche, sind Sechst-, Siebt- und Achtkläßler.

Und bei der Betonung der Rolle von Sprache in einer Demokratie geht es mir natürlich nicht darum, daß jetzt – bildlich gesprochen – „jedes Komma sitzen“ und jede Form morphologisch korrekt sein muß, sondern darum, daß eine globale differenzierte (!) Diskursfähigkeit erhalten bleiben muß.

Und wenn es da schon an einem Gymnasium (und unseres ist jetzt zwar keine Eliteschule, aber wir brauchen uns wahrlich nicht zu verstecken) hakt, dann möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie es damit an anderen Schularten aussieht...

Anderes Beispiel, das zeigt, daß sich die schleichende Sprachauflösung nicht mehr nur auf die Morphologie, sondern langsam auch auf die Syntax erstreckt:

Zu übersetzen war: „Tum Galli montem Capitolinum ascendere coeperunt.“

Ein Schüler übersetzt mir mit dem Brustton der Überzeugung:

„Da die Gallier begannen, den Kapitolshügel zu erklimmen.“

Mit „Da die Gallier begannen, den Kapitolshügel zu erklimmen, ...“ kann ich zwar einen deutschen Satz korrekt beginnen, dann handelt es sich ab er um einen einleitenden Kausalsatz, auf den als nächstes das Prädikat des Hauptsatzes folgen muß.

Es ist klar, daß der Satz dann richtig wird (und auch eine sehr gute Übersetzung des lateinischen Satzes darstellt!), wenn „begannen“ gleich nach „Da“ gestellt wird.

Wenn aber das Gefühl der Schülerinnen und Schüler für diese absolut elementare Syntaxregel des Deutschen verloren geht, ist das in meinen Augen alles andere als beruhigend.

Ach so. Es geht um Latein-Übersetzungen. Dass da insbesondere im Anfangsunterricht völlig unverständlicher Murks rauskommen kann, wenn die Kinder Wort für Wort und Struktur für Struktur übertragen, ist doch nichts Neues. (Im Gegenteil: Das ist ein Grund für viele Aspekte der deutschen Grammatik, weil in früheren Zeiten die Gebildeten ihr Sprachgefühl an Interlinear-Übersetzungen aus dem Lateinischen ausgeschärft hatten.)

Ich möchte eines klarstellen: Wie bereits in #21 angedeutet, finde ich es wichtig, beim Sprechen und Schreiben Sorgfalt walten zu lassen, sofern die Situation das erfordert. Wenn im Online-Unterricht die Schüler*innen aus ihren Videokonferenz-Gruppenräumen in den gemeinsamen Raum zurückkehren und berichten, beim dritten Lesen der vorgegebenen Szene aus "Emilia Galotti" hätten sie plötzlich viel mehr verstanden (so geschehen in der vergangenen Woche), dann habe ich das Stundenziel eigentlich schon erreicht.

Ich halte mich für des Deutschen einigermaßen mächtig und habe auch (nach sieben Jahren Latein in der Schule) ein recht gutes Grammatikverständnis. Vor acht Jahren habe ich eine neue Sprache gelernt (Schwedisch). Ich kann dir versichern, dass man (als normal begabter Mensch) erstmal wieder absolut alles durcheinanderbringt, besonders dann, wenn man sich konzentriert, um alles richtig zu machen - und ja, das bezieht sich auch auf die Muttersprache.

Irgendwann ist dann die neue Sprache so sicher, das sie im Gehirn in eine eigene Box verpackt wird und sich auch.nicht mehr mit der Muttersprache verhakt. Aber das braucht ein bisschen. Daher würfe ich mal nicht so schnell die Fähigkeiten deiner Schüler in Frage stellen.

(Im Schwedischen hat man Fremdwörter radikal „verschwedischt“, z.B. den fåtölj - fauteuil - Sessel. Auch englische Wörter - to chat - tjatta. Das fand ich sehr sympathisch.)