Zur Frage "wo die Redewendung ihren Ursprung hat" noch folgende Beobachtungen:
Als chemische Vorgangsbeschreibung ist die Formulierung
"bis zur Vergasung" im 19. Jhd. offenkundig gängig, aber ich finde keinen Beleg für den verschiedentlich behaupteten
fig. Gebrauch der Wendung vor dem Zweiten Weltkrieg/Holocaust (
Vgl. http://books.google.com/books?client=firefox-... [Die einzige für das Jahr 1916 ausgewiesene Fundstelle - die sich auf den Kasernendrill des Ersten Weltkriegs bezieht - stammt bei genauerem Hinsehen aus dem Jahr 1954])
Die Einwendung, dass sich situative Redensarten der gesprochenen Sprache nicht in Druckwerken niederschlügen, greift zu kurz, denn in der Form des Zitats, der wörtlichen Rede etc., finden sich verbreitete "nicht-schriftliche" Ausdrucksweisen sehr schnell auch in Büchern (vgl. etwa die Bsp.e
Himmelherrgott oder
Verdammte Scheiße).
Ich kann nicht ausschließen, dass die Wendung "bis zur Vergasung" vor 1940 vereinzelt im figurativen Sinn verwendet wurde (nach Mackensen im Militärjargon ab ca. 1925), doch zeigt m.E. das Fehlen jedes Druckbelegs, dass ein solcher Sprachgebrauch nicht sonderlich verbreitet gewesen sein kann.
Ungeachtet dessen wandelt sich ab 1941
der konkrete Bedeutungsgehalt des Wortes Vergasung eminent:
Vor 1941 wird das Wort fast ausschließlich in der Bedeutung der "chemischen Umsetzung fester oder flüssiger Stoffe zu Gasen" verwendet, meist zum Zweck der energetischen Verwertung (vgl. die 'Vergaser' unserer Autos). Sehr viel seltener bezieht sich
Vergasung auf die Freisetzung von Gasen zu anderen Zwecken:
1. dem
Einsatz von Kampfgasen im Ersten Weltkrieg (synonym zu
Gasangriff, Gaseinsatz; eine Bedeutungsverengung zu »mit Gas umbringen« bereits zu diesem Zeitpunkt kann ich in
zeitgen. Veröffentlichungen nicht nachvollziehen);
2. dem Einsatz von Gasen gegen Schädlinge oder zu medizinischen Zwecken (hier sind die Synonyme
Begasung u.
Durchgasung allerdings weitaus gebräuchlicher). Vor dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet "Vergasung" wohlgemerkt auch in dieser zweiten Bedeutung nur den
Einsatz des Gases, nicht den beabsichtigten Effekt (
"...bewirken bei weißen Ratten nach wiederholter Vergasung eine eitrige Bronchitis, an der die Tiere zugrunde gehen." - "Es mußte eine Vergasung das Schiffes mit Zyklon B vorgenommen werden.".
Erst im Zuge der nationalsozialistischen "Endlösung" wurde
vergasen/Vergasung dann zum Synonym für die
(Massen-)Tötung durch Gas. Zuerst im Sprachgebrauch der Täter, dann auch im allgemeinen Sprachgebrauch
(vgl. Mackensen, Die deutsche Sprache in unserer Zeit, 1971, S.244; Dt. Sprachverein/Ges. für Dt. Sprache, Muttersprache, 1990, S.143).
Interessanterweise tritt der metaphorische Gebrauch
"bis zur Vergasung" erst dann massenhaft zu Tage, seitdem die Bedeutung von
Vergasen/Vergasung untrennbar mit dem Holocaust verbunden ist:
Gebrauch von "bis zur Vergasung" nach
Google-Books-Ergebnissen 1500-2010 (ca.):
(A= metaphorisch bzw. sprachwiss.)
B= konkret chemisch
C= konkret i.S. Holocaust)....................A......B.......C
bis 1940: .....0.....31.......0
1941-50: .....4.......1.......0
1951-60: ...11.......1.......0
1961-70: ...34.......4.......2
1971-80: ...37.......2.......4
1981-90:....72.......0.......8
1991-2000: .(ges.: 126)
2009-10: .....(ges.: 128)