Stimmt natürlich, dass die Voreingenommenheit negativ sein müsste, ist im "bias" nicht enthalten, im "shaming" schon, auch wenn es hier ja sogar als "Fremdschämen" verstanden wird.
Die Bemerkung in Klammern nötigt mir allerdings eine Reaktion ab.
Die Unterteilung eines Kontinuums in Bereiche, die durch Grenzen voneinander getrennt sind, ist immer künstlich. Die inhärente Willkürlichkeit wird durch wissenschaftliche Unterlegung vielleicht noch abzumildern sein: treten bestimmte Phänomene stark vermehrt in einem statistisch einzugrenzenden Bereich auf? Wenn es davon mehrere überprüfbare gibt, mag eine Abgrenzung hilfreich für eine Klassifizierung sein, die u.a. zu unterschiedlichen Umgangsweisen (z.B. Therapien) verhelfen. Selbst da ist noch die Frage zu stellen, worauf diese Umgangsweise/Therapie zielt - ist z.B. das Erreichen einer größeren Nähe zum statistischen Mittelwert überhaupt wünschenswert?
Ein Beispiel, an dem das leichter verständlich ist, ist etwa die (wie auch immer definierte) Intelligenz eines Menschen. Der statistische Verlauf in allen Messsystemen entspricht recht gut der gaußschen Glockenkurve. Entsprechend gibt es ja auch da Unterteilungen und Definitionen - wann z.B. gilt jemand als "hochbegabt" oder "minderbemittelt"?
An diesem Beispiel wird auch klar, dass die Benennung der einzelnen Unterteilungen eben eine Voreingenommenheit ausdrückt. Dise ist ablesbar, aber sprachlich nicht zu vermeiden. Sonst müsste man mathematisch-statistisch einfach angeben: die "oberen" (Achtung: Definitionssache) x% (Achtung: abhängig von der Skalierung) der untersuchten Gesamtheit (Achtung: meist nur eine statistische Probe).
Und da wäre ich dann bei den Begriffen: so etwas wie übergewichtig (über? ist das gut oder schlecht?), sehr wissenschaftspopularisierend "Adipositas-Stufen oder -Bereiche" (Festlegung der Grenzen?) ist ja schon ungenau, aber "stattlich" ist vom Wort her eher eine Wertung als eine Beschreibung.
Meine niederschlesische Großmutter fand v.a. erst ab einem gewissen BMI (gut, den kannte sie nicht) überhaupt ernst zu nehmen. Alle darunter waren für sie "häre Ziegen". Ab hier entwickelte sich eine Skala von Begriffen, die ich kaum rekonstruieren kann. Vermutlich ging sie etwa so: kräftig, überschlank, vollschlank, stattlich - und viele mehr, die mir nicht erinnerlich sind, weil ich sie schon damals nicht einsichtig fand.
Das zu erzielende Schönheitsideal, das allen anderen auch die höchste Anerkennung abnötigen müsste, war natürlich "stattlich". Geschätzter BMI nicht unter 40.
Drei Begriffe gehörten übrigens definitiv nicht in ihren Wortschatz: übergewichtig, dick, fett. Und selbst wenn sie sie gehabt hätte, wäre keiner der drei negativ besetzt gewesen.