Kommentar | Vielen Dank für die bisherigen Beiträge, speziell an soldier. Ich hätte nie gedacht, welchen Reichtum die deutsche Sprache aufweisen kann...
Es scheint, dass 吃火药 praktisch in keinem Wörterbuch zu finden ist. Ein Synonym davon (吃枪药) jedoch schon, siehe den Eintrag aus 现代汉语学习词典 (obige Quelle).
Auf jeden Fall ist die Redewendung im übertragenen Sinne zu verstehen. Verwandt mit 吃火药 wären noch:
(1) 火气 = "innere Hitze" (nach TCM) oder "Reizbarkeit" (2) 火药味 = (wörtl.) "Pulvergeruch", "feindselig", "aggressiv", "das ist starker Tobak" will heissen "eine Zumutung", "eine Unverschämtheit"
Wichtiges Element ist offensichtlich 火 (Feuer) bzw. 枪 (Waffe), was die innere Gereiztheit ausdrückt, welche gegen andere Personen gerichtet ist.
Interessant ist, dass im erstgenannten Werk 《饥饿的女儿》 in der deutschen und englischen Übersetzung die Redewendung 吃火药 neutral übersetzt wird:
“你今天吃了火药,老跟我顶嘴?” "Was ist heute mit dir los, daß du (mir) dauernd widersprechen mußt?" „What’s got into you today? Nothing but answering back.“
"Was ist los mit dir?" ist eine Frage an das Gegenüber nach dem Befinden und geht nicht zwingend davon aus, dass die andere Person "feindselig" gestimmt ist. Da im zweiten Satzteil 顶嘴 steht und mit "widersprechen" übersetzt ist, ist eine doppelte Übersetzung des feindseligen Charakters auch nicht nötig, dies wäre sogar zuviel.
"What's got into you?" könnte mit "Was ist in dich gefahren?" ausgedrückt werden, was eine sehr schöne Übersetzung von 吃 in übertragener Bedeutung ist. Hier steckt ein anderes Bild drin, nämlich das einer fremden Macht (ein Geist?), die von der betroffenen Person Besitz ergriffen hat und sie verändert, so dass sie gereizt reagiert. Auch in dieser Übersetzung ist im ersten Satzteil keine "Feindseligkeit" auszumachen.
Allgemein sieht man an diesem Beispiel gut, dass bei der Übersetzung einer Redewendung nicht immer alle Teile des verwendeten Bildes zu berücksichtigen sind. Man sollte auch vorsichtig sein, ein Bild, wie es in der Originalsprache verwendet wird, durch ein komplett anderes Bild in der übersetzten Sprache ersetzen zu wollen. Bei Dialogen stellt sich zudem die Frage, ob die handelnden Personen im Alltag wirklich so sprechen. Manchmal bewährt sich die Regel "Weniger ist mehr." Dies haben sich wohl die beiden Übersetzer Howard Goldblatt (Englisch) und Karin Hasselblatt (Deutsch) zu Herzen genommen... |
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