Schlafgänger
Anteil der Berliner Wohnungen mit Schlafgängern
[1]Als
Schlafgänger (auch
Bettgeher oder
Schlafbursche) wurden Personen bezeichnet, die gegen ein geringes Entgelt ein Bett nur für einige Stunden am Tag mieteten, während der Wohnungsinhaber die Schlafstelle nicht benötigte. Der Grund dafür war der zur Zeit der
Industrialisierung sehr knappe und daher teure Wohnraum, der nicht alle
Landflüchtlinge aufnehmen konnte.
Als Schlafgänger konnten beispielsweise
Schichtarbeiter während des Tages gegen ein geringes
Entgelt schlafen, während der reguläre Wohnungsinhaber seiner Arbeit nachging. Schlafgänger hatten normalerweise keinen Familienanschluss, durften die restlichen Räumlichkeiten, wie die Küche oder die „Gute
Stube“, nicht nutzen und erhielten im Gegensatz zu
Untermietern kein Frühstück.
Die Schlafgänger trugen zur weiteren Verschlechterung der Wohnsituation bei, da sie die familiäre und die intime Beziehung der Wohnungsinhaber störten. Allerdings waren sie zur Finanzierung der Wohnungen notwendig, weil das Familieneinkommen zur Eigenfinanzierung einer Wohnung vielfach zu gering war. Mancherorts wurde das eigene Bett sogar an zwei verschiedene Schlafgänger vermietet.
Statistisch gesehen gab es bei kleineren Wohnungen viel mehr Schlafgänger als bei größeren, da man in kleineren Wohnungen eher einen Schlafplatz als einen ganzen Raum abgeben konnte.
„Diese sozialen Wohnungsschäden sind durch das Schlafgängerwesen stark vermehrt. […] 1895 wurden in Berlin 79435, in Dresden 19836 und in Leipzig 19101 Schlafstellenleute gezählt. In manchen Fällen war dasselbe Bett von zwei oder gar von drei Personen im Achtstundenwechsel innerhalb 24 Stunden benutzt, ohne somit einen Augenblick kalt werden zu können.“
– Friedrich H. Lorentz
[2]Wikipedia
Schlafgänger, der
Wortart:
ℹSubstantiv, maskulinGebrauch:früher
Rechtschreibung
Worttrennung: Schlaf|gän|ger
Bedeutungsübersicht
Mieter einer Schlafstelle
(Duden)
Eine große Anzahl von Menschen lebte in Mietshäusern
Um vielen Menschen eine Unterkunft bieten zu können, baute man Mietshäuser. Diese sahen nicht unbedingt schön aus, standen eng aneinander und besaßen oft nur ganz kleine und enge Innenhöfe.
In einer einfachen Mietwohnung gab es das "Wohnzimmer", das man meist als "gute Stube" bezeichnete. Ob diese Stuben immer so "gut" waren, ist zu bezweifeln. Im günstigen Fall gab es einen Schlafraum, in dem die Familie nächtigte. Oft allerdings wurde dieser zweite Raum vermietet, an Untermieter oder so genannte Schlafgänger. Das waren Menschen, die sich nur zum Schlafen in der Wohnung aufhielten. Die Schlafgänger konnten sich keine eigene Wohnung leisten. Diese Schlafgängerei kam vor allem in den Städten des Ruhrgebiets sehr häufig vor.
Im Zeitalter der Industrialisierung, d.h. in der zweiten Hälfte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert, strömten Hunderttausende von zumeist jungen Menschen von den Dörfern in große Städte wie Berlin, Hamburg und Essen, um in den neu entstehenden Fabriken Arbeit zu suchen. Viele von ihnen hatten so wenig Geld zur Verfügung, dass sie dazu gezwungen wurden, die Betten anderer werktätigen Menschen, die sich gerade noch einfache Wohnungen in den sogenannten Mietskasernen leisten konnten, stundenweise zu mieten, während die eigentlichen Mieter in der Fabrik, als Hausdienerinnen oder auf der Baustelle beschäftigt waren. Man nannte diese mittellosen Menschen "Schlafgänger" bzw. "Schlafburschen" und "Schlafmägde", da sie sich nur zum Schlafen in den Wohnungen anderer Menschen aufhalten durften.