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  • Betreff

    Quadrat

    Quellen

    Sie sind einer gewissen Unausreichendheit begegnet und verlangen mindestens mehr Quadrat (von Kubik will ich nicht sprechen).

    (Theodor Fontane, Der Stechlin. Kap. 4)

    Kommentar

    Does anyone have an idea how "Quadrat" works here? Perhaps some hidden Umgangssprache?

    Verfasser MeinSchäfer (1363619) 15 Aug. 22, 08:32
    Ergebnisse aus dem Wörterbuch
    quadrat [PRINT.]das Quadrat  Pl.: die Quadraten
    square [MATH.]das Quadrat  Pl.: die Quadrate
    squared  Adj. [MATH.]im Quadrat
    to the second [MATH.]im Quadrat
    with the square of X mit dem Quadrat von X
    to raise to the second power zum Quadrat erheben
    to square a number [MATH.]eine Zahl ins Quadrat erheben
    Kommentar

    Nein, keine Umgangssprache sondern sehr elaborierter Code, nämlich "Adelssprech". Dubslav zeigt durch seine Ausdrucksweise, dass er mit der höheren Gesellschaft vertraut ist, zählt sich ja dazu: "wir von Adel" heißt es wenig später. Frau von Gundemann, geb. Helfrich, ist "Vollblutberlinerin", also Stadtadel.

    Dem meist länger eingesessenen Landadel mit seinen Rittergütern und Domänen waren das eher Emporkömmlinge, die über kein Land (Quadrat) und keine großen Herrenhäuser (Kubik) verfügten. Was ist schon ein Stadtpalais, und sei es auch barock vergoldet und in städtischer Sicht "groß" gegen eine Burg oder ein Schloss auf dem Lande?

    #1Verfasser reverend (314585) 15 Aug. 22, 09:01
    Kommentar

    zu #1: "Frau von Gundemann, geb. Helfrich, ist "Vollblutberlinerin", also Stadtadel", noch dazu angeheirateter.


    #2Verfasser Peter <de> (236455) 15 Aug. 22, 09:13
    Kommentar

    Ich muss unbedingt mal wieder den Stechlin lesen, das hätte ich jetzt nicht gewusst. Übrigens ist ein Spaziergang am Stechlinsee sehr zu empfehlen!

    #3Verfasser penguin (236245) 15 Aug. 22, 09:15
    Kommentar

    Vielen Dank, Herr Reverend. Sehr erleuchtend!

    #4Verfasser MeinSchäfer (1363619) 15 Aug. 22, 09:21
    Kommentar

    Falls noch jemand fragt : hier ist die Rede von Quadratmeter (m², sqm) und Kubikmeter (m³, cbm) ...

    :-)

    #5Verfasser no me bré (700807) 15 Aug. 22, 09:32
    Kommentar

    Wahrscheinlich bezieht sich der standesbewußte Dubslav (möglicherweise mit dem ihm eigenen, leicht ironischen Unterton) auf Quadratrute und Kubikfuß. Zu Fontanes Zeiten waren diese Längenangaben noch in Gebrauch (es galt ja auch noch die preußische Meile).

    #6Verfasser Peter <de> (236455)  15 Aug. 22, 09:37
    Kommentar

    Ich vermute eher, dass er die Nennung der eigentlichen Maßeinheit vermeiden wollte. Das Eiheitensystem war im Umbruch - der Adel rechnete meistens in "Morgen", einem regional sehr verschiedenen Maß, das auf der Rute beruhte (nette Homophonie). Zwar datierte das Urmeter (das erste, aus der frz. Revolution) schon von 1799, das international akzeptierte nach Neuvermessung des Äuatorumfangs von 1889, die Festlegung des preußischen Morgen von 1869, aber das sind nur einige Meilensteine des Umbruchs, der sich vor allem in der Physik vollzog. Die Landmesserei hätte schon zu Zeiten von C.F. Gauß Bedarf nach einheitlichen Einheiten (da war es wieder...) gehabt.

    Zum Vergleich: eine einheitliche Zeitrechnung im Deutschen Reich war erst 1893 festgelegt worden. Bis dahin wurden Lokalzeiten in den Bereichen der früheren deutschen Königreiche, Fürstentümern etc. angewandt. Am Müncher Hauptbahnhof, der aus drei Sackbahnhöfen in einer Baueinheit bestand, waren daher Fahrpläne in drei nicht synchronen Zeitsystemen zu finden.

    Der Stechlin datiert von 1897/1898 und beschreibt hier nur am Rande eben eine Gesellschaft, die sich mit den neuen Einheiten erst noch anfreunden muss. In den 1980ern gab es in GB noch reichlich Menschen, denen shilling, sixpence, farthing, crown etc. quasi mit der Muttermilch eingeflößt waren und die mit "new pennies" nichts anfangen konnten. In Deutschland rechnen heute noch viele ältere Leute in D-Mark und erleben so die ganz normale Inflation, die unser Wirtschaftmodell braucht, noch viel massiver: früher habe ich 10 Brötchen für 75 Pfennig gekauft, und in Holland kostete Diesel 5 Cent! (Stimmt. Wir reden da von den frühen 1950er Jahren. Dreißig Jahre zuvor kosteten Brötchen einige Milliarden Mark. Pro Stück, versteht sich.)

    In dieser Situation befinden sich die Figuren des Romans ebenso wie Fontane selbst. Pachtverträge auf den Rittergütern wurden mündlich in Talern vereinbart und in Reichsmark verschriftlicht. Der Landkauf in ostpreußischen Morgen wurde für den Schriftvertrag auch in eine gültige Einheit umgerechnet, aber praktisch nie in Quadratmeter oder Hektar, sondern in den preußischen Morgen (2500 qm, s.o.) oder notfalls auch in Ar. Hektar war eine Einheit für Landvermesser und Städteplaner, nicht für die Landbesitzer, ungefähr so beliebt wie der Doppelzentner (100 kg) oder der Hektoliter. Das war etwas für Techniker. Notfalls wurde Bier so abgerechnet, Wein nicht.

    Volumenmaße für Gebäude waren gänzlich unüblich und zieren auch heute nur Lexika und Touristenbroschüren. Oder kann jemand sich unter der Angabe des umbauten Raums nach DIN 277 wirklich etwas vorstellen? Der Petersdom hat etwa 1,2 Mio cbm. Und das Berliner (Stadt-)Schloss? Die örtliche Stadthalle? Diese Kennzahlen wusste auch damals niemand, auch nicht für die eigenen Gebäude. Anzahl der Schlossflügel, Räume, Fenster, Bankettsäle etc. - das waren sinnfällige Unterscheidungsgrößen.


    Dubslav von Stechlin wird das nicht anders gegangen sein. Er hätte statt von Quadrat und Kubik auch von Fläche und Raum oder eben wahrscheinlicher von Ländereien und Schlössern sprechen können. Das jedenfalls war gemeint.

    #7Verfasser reverend (314585)  15 Aug. 22, 10:23
     
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