Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.02.2019 von Jennifer Wiebking, Mailand
Modewoche Mailand: Die Woche der Wutmodebürger
Die Gereiztheit der Modebranche ließ sich während der Modewoche in Mailand wahrnehmen. Desigern haben heute kein leichtes Leben mehr.
Ein Schlüsselanhänger, ein Pullover, ein Video. Es sind Kleinigkeiten, aber für gleich drei italienische Luxusmarken bedeuten sie großen Ärger. Zweimal lautet der Vorwurf blackfacing: Am Schlüsselanhänger von Prada hängt eine brauen Affenfigur, und der schwarze Gucci-Rollkragenpullover lässt sich über den Mund ziehen.
Dolce&Gabbana hatte es vor Weihnachten noch härter getroffen. Die Marke wollte mit einem lustig gemeinten Video für eine Modenschau Ende November in Schanghai werben. Die Influencer und Prominenten waren schon eingeflogen, als die Asiatin, die es im Video einfach nicht schaffen wollte, Pizza mit Stäbchen zu essen, Wellen schlug. Kürzfristig wurde die Modenschau abgesagt. Seitdem stehen Produkte der Marle in China auf der Schwarzen Liste.
Ein Affen-Schlüsselanhänger soll rassisitisch sein? Kommt der Modepolizei im Netz das nicht selbst komisch vor? Egal: Dem Ruf der Marke schadet es. Designer haben also heute kein leichtes Leben, wenn sie ihre Produkte in verschiedenen Kulturkreisen verkaufen wollen, unter Berücksichtigung aller Sensibilitäten. Die drei Fälle sind deshalb auch eine Art Hintergrundrauschen dieser Mailänder Modewoche. Wenn die vielen Modemacher eine gemeinsame Botschaft haben, dann die: Wir sind gerade ziemlich sauer.
[...] Alessandro Michele, Kreativ-Direktor von Gucci, der von Jahr zu Jahr für Umsatzrekorde sorgt, sagt: "Masken und Stachelnieten können helfen, wenn wir uns schützen müssen. Sie könen auch nützlich sein, wenn wir uns verteidigen." Michelle arbeitet mit beidem, er kennt sich damit aus. "Ich war ein netter Junge. Aber gerade deshalb brauchte ich Nieten." Auch die Musik zum Look hat es in sich: Sie knallt. Der Bass dröhnt in jeder zweiten Schau. Selbst ein Newcomer wie Daniel Lee ist von dieser Stimmung mitgerissen. Zum Debüt bei Bottega Veneta bricht der Brite, der zuvor bei Céline gearbeitet hat und nun Tomas Maier nachfolgt, mit der diskreten Eleganz seines Vorgängers und spitzt die Codes der Marke, besonders das Intrecciato-Muster, extrem zu [...] Er ist 33. Nach der Schau hat er Backstage nur einen Kommentar: "Ich bin müde. Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Die beste Entgegnung darauf liefert Modekritikerin Bridget Foley in "Women´s Wear Daily": "Echt Kumpel?" Du bist 33, das ist dein Laufsteg-Debüt bei einem führenden Haus, das zu einer der wichtigen Luxusgruppen gehört, und du bist zu müde, um einen Satz zu deinen Kleidern zu sagen?"
Bridget Foley kommt dann natürlich auch auf Karl Lagerfeld zu sprechen, der 85 Jahre alt und nur ganz zum Schluss müde war. Der Tod der Ikone aller Mode-Ikonen bringt auch die Erkenntnis mit sich, dass die aussterben, die eine faszinierende Modewelt erst entworfen haben. Dass dieses Feld zugleich aber so beliebig geworden ist, dass eine jüngere Generation keine ernsthafte Chance auf eine ähnliche Karriere hat. Es wird keinen zweiten Karl Lagerfeld geben. Und auch keinen zweiten Giorgio Armani, der sich neuerdings überraschend zugänglich gibt. Nach der Schau seiner Emporio-Kollektion spricht er geduldig mit den Journalisten. Giorgio, fragen die Italiener in der Runde, was ist guter Geschmack? Und Giorgio Armani antwortet: "Guter Geschmack bedeutet, es nicht zu übertreiben, nicht jeder beliebigen Mode zu folgen."