1. Vorwort
Vorwort zur Onlineversion
Die vorliegende, überarbeitetete Form des idiomatischen Französisch folgt weitgehend der Originalversion. In einigen Punkten wich jedoch unsere Sichtweise so weit von der des ursprünglichen Autors ab, dass wir eine Neugliederung vornahmen. Das unten aufgeführte Beispiel etwa: "Der Soziologe, der Philologe sind le sociologue, le philologue, aber der Biologe ist le biologiste" fällt für unser Verständnis nicht in die Kategorie der "Faux amis", der "Falschen Freunde". Diese stehen für Begriffe, die in zwei Sprachen ähnlich klingen, aber verschiedene Bedeutung besitzen. Wir haben stattdessen den Abschnitt "Falsche Fährten" eingeführt, der Wörter und Begriffe beinhaltet, für die man durch Analogieschlüsse leicht zu einer falschen Übersetzung verführt wird. Doch auch wenn wir viel umgestellt, harmonisiert und korrigiert haben: Der Verdienst von Dr. Kuhn, ein derartiges Werk aufgebaut zu haben, bleibt dadurch ungeschmälert.
Dezember 2007
Equipe do LEO
Vorwort zur Originalversion
"Idiomatisches Französisch, was ist das?" wird sich vielleicht der sprachlich Interessierte fragen, wenn er mit dem Titel dieser Arbeit konfrontiert wird. In der Tat ist das Idiomatische für viele, die eine Sprache lernen, hier das Französische, kaum ein Begriff, da in Sprachkursen und auch im Schulunterricht das Idiomatische meist nicht genügend beachtet wird. Und doch dürfte es ohne genügende Kenntnis des Idiomatischen schwer fallen, wenn nicht gar unmöglich sein, sich immer der rechten Ausdrucksweise zu bedienen und Französisch so zu sprechen, wie der Franzose es spricht. Fortgeschrittene im Französischunterricht kennen den Begriff der idiomatischen Wendungen, aber auch sie haben vom Umfang und der Bedeutung des Idiomatischen meist nur eine unklare Vorstellung. Eine Begriffsbestimmung des Idiomatischen scheint mir daher angebracht.
Idiomatisch vom Griechischen "Idiom - sprachliche Eigentümlichkeit - Mundart" bedeutet das, was einer Sprache gemäß oder eigentümlich ist, was sie in ihrem Sprachgebrauch von einer anderen Sprache unterscheidet. Idiomatisch ist somit beim Vergleich zweier Sprachen, hier des Französischen mit dem Deutschen, im Grunde alles Unterschiedliche, alles was von wörtlicher Entsprechung zwischen den beiden Sprachen abweicht. Der Gegenbegriff des Idiomatischen ist der der Konkordanz, der wörtlichen Entsprechung. In dem Satz "Pierre va à l'école" - "Peter geht zur Schule" gibt es nichts Idiomatisches, es herrscht Konkordanz. Aber in dem Satz "Les enfants jouaient dans la rue" - "Die Kinder spielten auf der Straße" gibt es einen idiomatischen Unterschied: die Verschiedenheit der Präposition.
Die Idiomatik des französischen Sprachgebrauchs beginnt schon beim Wortschatz. Der Soziologe, der Philologe sind le sociologue, le philologue, aber der Biologe ist le biologiste. Man vergleiche hierzu die Darstellung "Faux amis".
Ein großer Bereich des Idiomatischen ist natürlich die Grammatik. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf bestimmte ausgewählte Teilbereiche des Grammatischen. Aber es handelt sich hierbei nicht um ein Wiederkäuen der Grammatik. Schwerpunkt der Darstellung ist in allen Beiträgen das idiomatische Sprachgut, wie es sich nach gewissen grammatischen Prinzipien geordnet ergibt. Nur in einem Falle, bei den Fürwörtern en und y wurde der regelmäßige Gebrauch dem idiomatischen vorangestellt, da schon der regelmäßige Gebrauch in so spezifischer Weise französisch ist, dass sowohl seine richtige Übertragung ins Deutsche wie auch seine korrekte Verwendung beim französischen Sprachgebrauch uns Deutschen oft noch Schwierigkeiten bereitet.
Das eigentliche Feld des Idiomatischen ist alles Formelhafte sprachlicher Ausdrucksweise, alles, was man als "Wendung" bezeichnet. Als solche gilt jede feste Fügung von zwei oder mehr Wörtern, angefangen von grammatischen Wendungen präpositionaler, adverbialer oder verbaler Art bis zu Wendungen, die einen Sinn oder eine Mitteilung enthalten wie Redewendungen oder Redensarten, Sprichwörter oder Sinnsprüche, bildliche Ausdrucksweise und Vergleiche. Letztere bilden den Bereich der Phraseologie (von franz. "phrase" - "Satz"), wobei den Ausdrücken "Phraseologie" und "phraseologisch" nicht die abwertende Bedeutung zukommt, die man im Deutschen mit dem Ausdruck "Phrase" gleich "leere Redensart" verbindet.
Die Idiomatik in diesem Bereich besteht gewöhnlich in einer gänzlich verschiedenen Ausdrucksweise oder, bei bildlicher Ausdrucksweise, oft in der Verschiedenheit des Bildes. So entspricht die französische Wendung "donnant donnant" der deutschen "Gibst du mir, so geb' ich dir" (oder negativ "Wurst wider Wurst" bzw. "Wie du mir, so ich dir"), die französische bildliche Wendung "découvrir le pot aux roses" der deutschen "hinter das Geheimnis kommen", und das Sprichwort "Eulen nach Athen tragen" in genau gleichem Sinn, aber unter einem anderen Bild, dem französischen "porter de l'eau à la rivière".
Es sei nicht verschwiegen, dass bei den Sprichwörtern und Sinnsprüchen um der Reichhaltigkeit der Sammlung willen auch solche aufgenommen wurden, die keine Verschiedenheit, sondern völlige Gleichheit der Form und des Sinnes mit dem Deutschen aufweisen. Ein Beispiel: "L'appétit vient en mangeant" - "Der Appetit kommt beim Essen".
Prinzip der Darstellung ist es immer, die französische Ausdrucksweise der deutschen gegenüberzustellen, denn nur durch den sprachlichen Vergleich kann der idiomatische Unterschied zwischen den beiden Sprachen sichtbar gemacht werden.
Es erübrigt sich, auf die einzelnen Darstellungen gesondert einzugehen, da jeder Darstellung eine theoretische Einleitung vorangeht.
Die Beispiele der einzelnen Beiträge wurden während einer langjährigen gymnasialen Unterrichtspraxis, durch das Studium der Literatur, durch die Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften und durch mündlichen Austausch bei Reisen und Aufenthalten in Frankreich gesammelt. Der Wortschatz des ersten Beitrages "Faux amis" wurde durch die Benutzung des ausgezeichneten Wörterbuches von Hans-Wilhelm Klein "Schwierigkeiten des deutsch-französischen Wortschatzes" ergänzt und bereichert.
Nahezu alles, was "Idiomatisches Französisch" bietet, ist Lernmaterie. In der Aneignung eines möglichst großen Teils des dargebotenen Stoffes dürfte der größte Gewinn für den Benutzer liegen. Sie bedeutet nicht nur eine Bereicherung seines Sprachschatzes, sondern auch ein tieferes Verständnis für das Wesen und die Struktur der französischen Sprache. Vor allem hilft sie, Fehler der Ausdrucksweise zu vermeiden, die durch die Muttersprache bedingt sind (Germanismen).
Die vorliegende Arbeit ist in ihrer Art ein Erstlingswerk. Umfassendere Darstellungen des Idiomatischen - vor allem eine idiomatische Grammatik - fehlen. Es würde den Verfasser freuen, wenn das vorliegende Werk in bescheidenem Maße zu größerer Bedeutung des Idiomatischen beim Erlernen der französischen Sprache führen würde.
Herrn Studiendirektor Wolfram Bell, Bergisch Gladbach, und Herrn Michel Douval, Clermont-Ferrand, danke ich herzlich für ihre Durchsicht und Korrektur sowie für ihr Interesse, das sie an der Arbeit bekundet haben.
Bergisch Gladbach, im Juni 2000
Dr. Heinz Kuhn