Comment | Für mich macht es einen großen Unterschied, ob jemand sich selbst als Banausen bezeichnet oder ob es jemand anderes tut. Wer sich selbst als "Banause" bezeichnet, ist eines wahrscheinlich nicht: Ein Banause in dem Sinne, wie das Wort jemand verwendet, der einem anderen dieses Etikett aufdrückt. Nehmen wir das Wein-Beispiel: Wein soll schmecken, da sind sich wohl alle Weinkenner einig. Auch ein sagenhaft teurer Wein kann grauslich sein, auch da sind sich vermutlich alle Weinkenner einig. Jemanden, der teuren Wein kredenzt, sich damit brüstet und nicht merkt, dass der Wein gekippt ist, einen Kork- oder sonstigen Fehlton hat, wäre für mich ein Banause: Er tut so, als könne er zu einer Sache etwas sagen, hat aber offenbar keinen Schimmer. Auch jemand, der zu einem runden Geburtstag von einer Gruppe von vielleicht 10 Leuten einen alten Bordeaux geschenkt bekommen hat und diesen, ohne zu probieren, in die nächste Schmorsauce kippt, wäre für mich ein Banause, weil er Anhaltspunkte dafür hatte, dass das ein besonderer Wein ist und er mit der Verwendung Missachtung zum Ausdruck bringt. Ich selbst würde mich dagegen auch als Banause bezeichnen, wenn mir einer eine Flasche Bordeaux vor die Nase hielte und fragte, ob ich das Chateau kenne. Kenne ich garantiert nicht, obwohl ich schon in der Gegend war. Mir ist wichtig, dass der Wein schmeckt. (Davon abgesehen lehrt mich die Erfahrung: Beim Wein besteht mit etwas höherem Preis als beim Tetrapak eine größere Wahrscheinlichkeit, einen geschmacklichen Treffer zu landen.) Vergleichbares lässt sich sicher auch zu anderen Feldern sagen, ob es bildende Kunst, Musik (egal ob E, Jazz oder U), Architektur, Kulinarik ist. Für mich ist ein Banause aus der Außensicht jemand, der durch Missachtung, Unkenntnis und Unfähigkeit auffällt. Die Putzfrau, die einen vom Künstler gewollten Fettfleck wegputzt, hätte Anhaltspunkte dafür gehabt, dass sie das besser hätte lassen sollen. Der Museumsbesucher, der sein Kind auf einer Plastik herumklettern lässt, ist ein Banause, es sei denn, der Künstler lädt zu solchem Verhalten ausdrücklich ein. Wer sich selbst dagegen als Banause bezeichnet, ist es in diesem Sinne vermutlich eher nicht, denn er weiß, dass seine eigenen Maßstäbe nicht den allgemein anerkannten entsprechen. Das setzt eine Auseinandersetzung mit der Sache voraus. Wer sich selbst als Kunstbanausen bezeichnet, wird vermutlich keinen künstlerisch wertvollen Fettfleck wegputzen, sondern sich kopfschüttelnd von der Installation abwenden, aber ansonsten jedem Tierchen sein Kunstplaisierchen gönnen. Kurz: Sich selbst als Banause zu bezeichnen (oder gar als Universalbanause) ist nicht frei von Koketterie. Jemand anderen als Banausen zu bezeichnen kann von mehr oder minder berechtigter Empörung zeugen. |
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