Das Problem des mit uns befreundeten Sohnes ist z.B., dass er zwar gut Französisch spricht, aber nicht sehr gut schreiben kann und sein Vokabular auch eher beschränkt ist (was man halt auf im Alltag, auf Familienfesten und im Urlaub so braucht). D.h., er hat einiges zu lernen, aber es ist natürlich besser, das mit anderen Muttersprachlern zu tun als sich im ersten Jahr Französischunterricht zu langweilen.
Insofern ist es m.E. nicht gesagt, dass man, nur weil man Muttersprachler ist, automatisch die besten Noten abgreift. Ein Großteil der Sprachbeherrschung wird nun mal in der Schule gelernt.
Das meinte ich, als ich weiter oben schrieb, dass ja nicht jeder Muttersprachler automatisch eine gute Rechtschreibung hat. Ich konnte schon im Vorschulalter lesen, und zwar sowohl deutsche als auch englische Bücher, und hatte in beiden Sprachen von Anfang an eine gute Rechtschreibung. Da ich gern und viel las, hatte ich auch einen guten Wortschatz, ebenfalls in beiden Sprachen. Das ist aber nicht unbedingt der Normalfall. Nach wie vor lernen viele Kinder das Lesen erst in der Grundschule. Oder sie können zwar vorher lesen, aber nur in einer Sprache, entweder weil sie im Alltag mit dieser Sprache häufiger konfrontiert sind (weil sie im entsprechenden Land aufwachsen) oder weil ihre hauptsächliche Bezugsperson diese Sprache spricht und liest. Oder sie können zwar lesen, es macht ihnen aber wenig Freude, so dass sie dies nur selten tun, und haben sie dann auch noch weniger andere Medien in dieser Sprache zur Verfügung (Hörbücher, DVDs usw.) und weniger Gesprächspartner, ergibt sich die Wortschatzerweiterung nicht ganz so zwanglos. Oder oder. Und als Kind hat man natürlich eher das Vokabular, das zum Einen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse benötigt wird, also alles, was Essen, Schlafen, Schmerzen, Spielen betrifft, dazu Sachen, die aus Kinderliedern und -Büchern bekannt sind, und gängige Smalltalk-Themen wie das Wetter. Je nachdem, über welche Themen in der Familie ansonsten gern gesprochen wird, kann es noch Fachbegriffe aus Sport oder Mode oder Physik oder Politik oder wasauchimmer aufschnappen, aber die sind schon nicht unbedingt vorauszusetzen, das sind Fachbegriffe, die man tendenziell erstmals in der Schule hört. Und dann natürlich erst einmal nur in der Unterrichtssprache. Da hat das zweisprachig aufgewachsene Kind also, spätestens im Schriftlichen, also nicht unbedingt einen Vorteil. Ich hatte in meiner Schulzeit auch manchmal Probleme, meiner Oma, die nun einmal kein Deutsch kann, zu erklären, was wir gerade durchnahmen, und zumindest im Grundstudium hatten wir auch fast ausschließlich deutschsprachige Lehrbücher, da fehlten mir dann für Erklärungen an meine Oma auch ziemlich viele Fachbegriffe, die ich aber vermutlich draufgehabt hätte, wenn ich in England zur Schule gegangen wäre.
Das Thema Benotung, absolute/relative Bewertung, Gauss-Kurven usw. führt ja dazu, dass auch hier in Deutschland immer wieder Stimmen laut werden, die eine komplette Abschaffung der Schulnoten fordern. Finde ich persönlich auch schwierig, aber es sollte doch zumindest versucht werden, so objektiv wie möglich an die Sache heranzugehen. Die Schüler, die wegen der vielen Mitschüler, für die die Fremdsprache eben keine ist, eine schlechtere Note erhalten, obwohl sie dafür, dass sie diese Sprache eben als Fremdsprache lernen, sehr gute oder sogar überdurchschnittliche Leistungen abliefern, bloß weil ihre Mitschüler eben noch ein kleines bisschen besser sind, können sich ja nachher bei der Bewerbung auch nicht darauf berufen, dass ihre Zwei ja eine Eins gewesen wäre, wenn sie ein Jahr vorher oder ein Jahr später die Prüfung abgelegt haben, nur in diesem Jahr waren halt so viele Deutsche dabei. Blöd.