Info zum Thema, heute abend, Arte, 20:00h :
http://www.arte.tv/de/europa/karambolage/3034...die Halal-Metzgerei
Vielleicht wissen Sie, was ein Halal-Metzger ist. Aber haben Sie schon einmal eine Halal-Metzgerei betreten ? Alice Diop nimmt uns mit.
Ich wohne in der Nähe der Rue d'Avron im 20. Arrondissement im Osten von Paris. Neben Supermärkten, chinesischen Restaurants und orientalischen Bäckern gibt es hier überall Halal-Metzger. Was "halal" ist? Halal ist ein arabisches Wort, das so viel bedeutet wie "erlaubt".
Fleisch, das als halal bezeichnet werden darf, muss den Reinheitsgeboten des Korans für Lebensmittel entsprechen, also rituell geopfert worden sein und darf von keinem Tier stammen, das als unrein angesehen wird, wie zum Beispiel das Schwein.
In meinem Viertel bilden sich abends lange Schlangen vor den Halal-Metzgereien. Da ist die Stammkundschaft, also Familien aus dem Maghreb und aus Afrika, aber auch immer mehr junges Szenepublikum und französische Rentnerinnen mit Einkaufsnetz.
Dabei hatten Halal-Metzgereien noch vor zehn Jahren unter Vorurteilen zu leiden. Man misstraute ihnen. Es hieß, das Fleisch sei von zweifelhafter Herkunft, es sei minderwertig und weniger saftig, weil bei dem Schlachtverfahren, dem Schächten, zuviel Blut verloren ginge.
Tja, das Schächten, ein leidiges Thema, an dem sich die Geister scheiden. Beim Schächten tötet man das Tier, ohne es vorher zu betäuben, was konträr zur europäischen Gesetzgebung ist, die vorschreibt, dass das Tier zuerst betäubt werden muss. Man richtet das Tier in die Himmelsrichtung von Mekka aus, und wenn der Opferer, der Muslim sein muss, ihm die Kehle durchschneidet, ruft er, "bismillah", "im Namen Gottes".
In Frankreich wurden rituelle Schlachtungen zuerst von Juden durchgeführt, die im 19. Jahrhundert das Recht einforderten, ihrem Glauben entsprechend schächten zu dürfen. Ihre Schlachtweise ähnelt der der Muslime, auch wenn das Messer anders angesetzt wird: Ein scharfes Messer zerschneidet die Luftröhre und die Drosselvene, damit das Tier nicht unnötig leidet und der Tod sofort eintritt.
Frankreich und die meisten europäischen Länder genehmigen daraufhin eine Ausnahmeregelung hinsichtlich des Betäubens. Diese Ausnahme ist schnell umstritten. Unter dem Deckmantel des Tierschutzes ging es vielen Kritikern lediglich darum, antisemitische oder antireligiöse Argumente ins Feld zu führen. Anfang der 60er Jahre, mit der Einwanderungswelle von Muslimen nach Europa, stellt sich die Frage des Schächtens erneut.
In Frankreich ist es leicht, die Ausnahme, die die jüdische Gemeinde durchgesetzt hat, auf die Muslime zu übertragen. In Deutschland wird eine solche Ausnahme zunächst vom Bundestag 1982 abgelehnt. 2002 entscheidet das Verfassungsgericht jedoch anders und erlaubt den muslimischen Metzgern, die Tiere ohne vorherige Betäubung zu töten.
Noch heute gibt es in Frankreich sowie in Deutschland Protestbewegungen, die diese Ausnahmeregelung anfechten. Dabei handelt es sich vor allem um Tierschützer oder bestimmte Gruppen die versuchen, die Sache mit einem rechtsextrimistischen Diskurs zu verteufeln. Eines ist sicher, das Recht auf rituelle Schächtung hat das Geschäft mit Halal verändert.
Die Zeit, als vereinzelte, vakuumverpackte, importierte Halal-Fleischwaren achtlos auf Regalen in der hintersten Ecke des Supermarktes herumlagen, ist endgültig vorbei. Die Halal-Industrie ist so produktiv wie nie und hat sich den Essgewohnheiten der Franzosen angepasst.
Die viel beschworene "Fleischherkunft", auf die heute soviel Wert gelegt wird, verweist auf Fleisch aus dem Aubrac, dem Aveyron oder aus Irland. Wussten Sie, dass es heutzutage Halal-Entenstopfleber, Halal-Entenbrust, Halal-Entenschmalz und sogar Halal-Gehacktes gibt? Dabei handelt es sich natürlich nicht um Schweinshack!
Woher kommt aber dieses Tabu mit dem das Schweinefleisch bei den Muslimen, bei den Juden oder anderen Kulturen behaftet ist? Der Koran, das heilige Buch der Muslime, verbietet den Verzehr von Schweinefleisch und in der Torah, der heiligen Schrift der Juden, steht:
"Ihr sollt essen von jedem Tier, das gespaltene Hufe hat, ein Paarzeher ist und widerkäut. Ihr esst nicht das Schwein, das gespaltene Hufe hat, aber nicht widerkäut: es ist unrein…"
Al Djahiz, ein muslimischer Gelehrter des 9. Jahrhunderts schreibt in seinem "Buch der Tiere" dass das Schwein seit seiner Schöpfung als unrein galt. Als Noah nicht wusste, wie er den Dreck und Mist der Tiere auf seiner Arche loswerden sollte, bat er Gott um ein Tier, das ihn davon befreien könnte: das Schwein.
Nun, es gibt natürlich einen ganz rationalen Grund für dieses Verbot, einen hygienischen Grund: Schweinefleisch ist sehr hitzeempfindlich und wird schnell schlecht. Zu einer Zeit, als es noch keine Kühlschränke gab, haben sich deshalb hygienische und religiöse Gebote einfach vermischt.
Text: Alice Diop
Bild: Elsa Perry